Frühling im Taurus-Gebirge 2. Teil

Im Paeoniengarten hoch über Antalya

Paeonien und ein Artemis-Hadrian-Tempel in über 1000 m Höhe

Heute entführe ich Euch zu zwei völlig unterschiedlichen Zielen, die gemeinsam haben, dass man sie jeweils in einem Tagesausflug direkt von Antalya aus erreichen kann. Sie haben aber noch eine weitere Gemeinsamkeit, beide Orte befinden sich im Taurusgebirge und zwar in Höhen von über 1000 m.

Unterwegs in den Herren-Bergen , Bey Dağları , nahe Antalya

 Ayşe hat mir den Beifahrersitz neben ihrem Mann Zeki überlassen und ist auf den Rücksitz gekrochen. Ich glaube, das war nicht ganz uneigennützig, denn sie fährt ungern im Auto mit und gleich hinter der Stadtgrenze von Antalya geht es in Serpentinen steil nach oben in den Taurus.

Cynoglossum creticum – Rosularia globulariifolia – Cistus creticus

Bis ungefähr 800 Meter Höhe begleiten kleine Dörfer oder einzelne Bauernhäuser die schmale Straße. Dann wird es noch steiler und noch enger und nur die Neugierde, was das Schild ‘Peony Garden’ bedeutet, das mehrfach am Straßenrand auftaucht, lässt mich meine Angst vor dem Abgrund zeitweise verdrängen.

Wie häufig in den unteren, der Küste zugewandten Seite des Taurusgebirges, sehen wir, während sich das Auto immer weiter nach oben schraubt, eine offene steinige, meist steile Fläche, die mit mediterranen Halbsträuchern, wie gelbblühendem Pfriemenginster, Spartium junceum, oder rosafarbenen Ziestrosen, Cistus creticus, zusammen mit Stauden wie verschiedensten Euphorbien, Phlomis fruticosa, einem Brandkraut und genügsamen Gräsern und Sukkulenten bewachsen ist.

Als wir an eine natürliche Einbuchtung gelangen, steigen wir noch einmal aus und ich kann einige Pflanzen ablichten, die ich später im Hotel identifiziere. Ein letzter Blick auf Antalya samt Mittelmeer und die Kiefern und Zedern verschlucken uns im dauernden Nadel-Grün der Herren-Berge, die von den Türken Bey Dağları genannt werden.

Limodorum abortivum var. rubrum, Rotvioletter Dingel – Symphytum brachycalyx, Beinwell – Viola heldreichiana

Wir folgen dem letzten Hinweis ‘Peony Garden’, es geht immer noch höher hinauf und ich rutsche entsprechend immer tiefer in meinen Beifahrer-Sitz hinein und schwitze mich in jeder Kurve, in der ich mich auf der Abgrund-Seite befinde, halb zu Tode! Nein, Zeki fährt gut und sicher, aber ich bin schon auf einer bayerischen Dorfstraße ein schlechter Beifahrer.

Inzwischen haben wir eine Höhe von etwa 1200 m erreicht! Ich erinnere daran, dass wir in Antalya ja quasi auf Meereshöhe unseren Ausflug begonnen haben. Erst als wir in die Kiefern- und Zedern-Waldbestände eintauchen, die man sich viel lichtdurchlässiger, als unsere Tannen- und Fichten-Gebirgswälder vorstellen muss und ich keine offenen Abgründe mehr sehe, werde ich etwas ruhiger und sitze wieder aufrecht auf meinem Sitz. Ein letzter Stopp vor dem Ziel gibt dann den Ausschlag, dass ich mich endlich entspannt zurücklehnen kann. Denn ich finde hier meine erste Orchidee in der Türkei – ein Limodorum abortivum var. rubrum, den rotvioletten Dingel. Hier gibt es eine völlig andere Staudengesellschaft als auf den offenen, steinigen Flächen. Nur mit Glück entdecke ich den Winzling Viola heldreichiana; wenn Ihr Euch meinen Zeigefinger daneben anseht, versteht Ihr, was ich meine.

Während wir die letzten 150 Höhen-Meter absolvieren, stelle ich mir zum ersten Mal die Frage, was ich mir eigentlich unter einem “Paeoniengarten” vorzustellen habe? Ich bin jetzt tatsächlich entspannt und merke das an der Tatsache, dass ich die visuelle Vorstellung einer Pfingstrosen-Gärtnerei, grinsend aus meinem Kopf wegwische und beschließe, mich doch einfach überraschen zu lassen.  

Dass wir angekommen sind, erkenne ich schon auf den letzten 100 m vor dem Parkplatz an rosafarbenen, roten und tiefroten großen Farbklecksen, die aus einem lockeren Bestand von hauptsächlich Cedrus deodara, also stolzen Himalaya-Zedern, welche sich elegant in den Himmel recken, herausleuchten.   

Es ist für mich tatsächlich unglaublich, was uns hier in über 1300 m Höhe erwartet. Hunderte Paeonia turcica in rosa, pink, rot und dunkelstrot stehen hier zur Hauptblütezeit Anfang April im Zedernhang. Prof. Hong De-yuan, von der Akademie der Wissenschaften in Peking arbeitete viel in der Nomenklatur der Paeonien. Er erklärte vor einigen Jahren Paeonia turcica zum Synonym von P. kesrouanensis. Trotzdem wurde Paeonia turcica, die von den Türken liebevoll Bärenrose genannt wird, anläßlich der Expo 2016 in Antalya zur Symbol-Pflanze der Schau gekürt. In diesem Zusammenhang wurde auch der Paeoniengarten zur offiziellen Außenstelle der Expo 2016 erklärt. Dennoch sind wir an diesem wunderschönen Vormittag die einzigen Besucher hier.

Doronicum orientale, Kaukasus Gämswurz – Silene aegyptiaca subsp. aegyptiaca, Aegyptisches Leimkraut – Anemone blanda, Balkan-Windröschen

Erst langsam ist mein Auge paeoniengesättigt und ich entdecke weitere Stauden-Farbtupfer in diesem besonderen Habitat. Doronicum orientale mit seinem leuchtendem Gelb ist sogar mit einem größeren Bestand hier heimisch.

Alle Drei sind wir völlig überwältigt von diesem Erlebnis in über 1300 m Höhe. Trotzdem müssen wir jetzt: hoşçakal – tschüss!” sagen, es gibt noch so viel zu sehen!

Viel gemächlicher als bei der steilen Auffahrt von Antalya aus, geht es in nördlicher Richtung durch die großartige Landschaft der Herren-Berge, Bey Dağları, bergab, diesmal wieder nach Burdur in die Universität. Wenn sich in meinem Garten jährlich Ende Mai die Paeonia officinalis, die Bauern-Pfingstrose, mit ähnlichen Blütenschalen öffnet, wie ich sie im Paeoniengarten hoch über Antalya erleben durfte, dann schweifen meine Gedanken regelmäßig zu diesem unvergesslichen Tag zurück. Und so ist auch jetzt genau der richtige Zeitpunkt, dass ich dieses Erlebnis mit Euch teile.

Ich liebe diesen Teil des Taurus der nahe dem Mittelmeer ist besonders, damit bin ich nicht allein:

“Ah bu mor dağlar yok mu ya / Zaman zaman başı duman / Ah benzer, vaha benzer / Dorukları kar, etekleri bahar / Kazan kazan dondurma / Kaymaklı külâha benzer!” …diyor şair Şaban Aktaş.

„Ah, da sind diese lila Berge, denen von Zeit zu Zeit der Kopf raucht. Unten tragen sie oasenartige Röcke aus Frühling. Aber die Eis-Kessel! Die Kessel! Die  Schnee-Gipfel sehen aus wie eine Kaymak triefende Sahnetüte. – Şaban Aktaş –

Der Artemis-Hadrian-Tempel von Termessos im Herbst

Eigentlich wäre das Gedicht über das Taurusgebirge ein schönes Ende für diesen Beitrag gewesen. Lang genug ist er wahrlich auch. Aber ich möchte die Gegend von Antalya nicht verlassen, ohne Euch noch einen kleinen Anhang über Termessos anzufügen.

Antalya ist ja ein beliebter Urlaubsort, aber nicht Jeder ist damit zufrieden, täglich am Strand vor sich hin zu brutzeln. Nun habe ich Euch zwar in einem Beitrag in die Expo 2016 mitgenommen, aber sie existiert ja nicht mehr. Den Paeoniengarten in den Herren-Bergen gibt es zwar nach wie vor, aber ich denke, dass es sich hauptsächlich von März bis Anfang Mai lohnt, dieses Ziel anzusteuern. Um Euch eine attraktive Alternative oder ein zusätzliches Ziel für die anderen Jahreszeiten zu zeigen und Euch gleichzeitig auf die veränderte Botanik im Herbst aufmerksam zu machen, hänge ich als Vergleich meinen Kurzbesuch in Termessos vom September 2015 hier an.

Eigentlich sind wir schon auf dem Weg zum Flughafen in Antalya, als wir noch einmal die Hauptstraße verlassen und in die Berglandschaft hineinfahren. Wir sind auf dem Königsweg (Kral Yolu) unterwegs zu einem Ort, von dem ich beschämenderweise nie zuvor gehört habe.

Pistacia terebinthus ssp. terebinthus, Terpentin-Pistazie – Ferula communis, Riesenfenchel – Quercus coccifera, Immergrüne Kermes-Eiche

Auch wenn die Natur im September satt ist und anstatt vieler Blüten hauptsächlich Früchte, Samenstände, oder auch nur attraktive, zerbrechlich scheinende Pflanzenfragmente zeigt, so steige ich doch auch hier mehrmals aus, um mir vor allem die malerischen Kiefern, die wie Riesenbonsais am Königsweg stehen, aus der Nähe anzusehen.

Althaea cannabina, hanfblättriger Eibisch – Onopordum acanthium, EselsdistelKnautia integrifolia

Der lockere Mischwald neben der Straße endet am Parkplatz und Zugang zu Termessos. Was für eine Überraschung, ich bekomme zum Abschied von meinen Gastgebern noch einen kurzen Blick auf den untersten Teil einer antiken Stadt geschenkt!

Die Ruinenstadt Termessos ist etwa 30 km nordwestlich von Antalya auf ca. 1000 m Höhe im Hang des Berges Güllük Dağı gelegen. Die Wehrhaftigkeit der Stadt bescherte ihr im Laufe der Geschichte häufig Autonomierechte z.B. im Perserreich. Erstmals erwähnt wird die Stadt in der Ilias VI, 183 f, bei Homer. Berühmt wurde sie durch das Scheitern Alexanders des Großen, der die Stadt 334/333 v. Chr. vergeblich belagerte. Nach der Feststellung: “Ich lasse meine Armee nicht vor einem Adlernest dezimieren.” zog er unverrichteter Dinge weiter.  

Die Ruinen des Artemis-Hadrian-Tempels liegen vor meinen Augen, daneben sehe ich in den Felsen erste Teile der ungewöhnlich weitläufigen Nekropole, der Totenstadt. Nie zuvor sah ich etwas derartiges und in dem Trümmerfeld liegt für mich so viel Stolz und Erhabenheit, dass ich mich sehr klein fühle. Als ich erfahre, dass das nur der kleinste Teil der Ruinenstadt sei und es weiter oben noch die Verteidungsringe, Stadtmauern, Tempel und vor allem das gut erhaltene antike Theater, das Odeon, zu sehen gäbe; wir aber jetzt dringend zum Flughafen fahren müssen, da fühle ich mich auch ein wenig wie der hier gescheiterte Alexander der Große.

Ich bin meinen Freunden sehr dankbar, dass ich das sehen darf, wenn auch nur einen Appetit-Happen. Vielleicht lese ich ja irgendwann bei einem von Euch, dass Ihr Euch die ganze Ruinenstadt Termessos erwandert habt. Aber für heute heißt es erst einmal Abschied zu nehmen aus dem Taurusgebirge.

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4 Kommentare

  • Susanna sagt:

    Liebe Renate,
    vielen Dank, dass ich auch im zweiten Teil dieser Reise mitfahren durfte, ohne die Serpentinen zu erleben – ich kann deine Freundin Ayse gut verstehen! Besonders den Paeoniengarten würde ich gerne einmal in Natur erleben. Die ungefüllten, natürlichen Arten haben einen ganz besonderen Charme!
    Liebe Grüße
    Susanna

  • Karin sagt:

    Ich habe wunderschöne Erinnerungen an das Taurus Gebirge als wir in Anatolien waren

  • Christa Schroth sagt:

    Sehr interessanter Beitrag über eine Gegend, die ich nur von Atlas kenne. Beeindruckende Landschaft mit traumhaftem Päonien Garten.
    Danke für diesen tollen Bericht

    • Das Wurzerl sagt:

      Ehrlich gesagt, liebe Christa, als ich das erste Mal in Antalya aus dem Flugzeug stieg, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, was mich so wunderbares ganz nahe dieser Bade-Touristen-Ecke mit seinen Bettenburgen an kostbarer Botanik und Landschaft erwarten würde. Ohne Prof. Yıldırım hätte ich es auch sicher nie kennengelernt. Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag. LG Wurzerl

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