“Wubsbos” die Waldschlucht von Jannie Bos, Winschoten

Die Waldschlucht von Jannie Bus, Wubsbos, Winschoten

Ankommen in Winschoten und dem Waldschlucht-Garten Wubsbos

Im April 2024 fahre ich mit meinen Freundinnen Erna de Wolff und Ulrike Aljets in die Mühlen- und Rosen-Stadt Winschoten. Der Ort entwickelte sich bereits im 13. Jahrhundert als Siedlung an der Handelsstraße von Groningen nach Münster. Im Achtzigjährigen Krieg war Winschoten eine Festung. Das Gebiet “Blauwestad” (Blaue Stadt), ein spektakuläres Landschaftsprojekt, ist ganz nahe und kann von Winschoten über die mit 800 m längste Fahrradbrücke Europas erreicht werden. Auch das Rosarium Winschoten ist erwähnenswert, es ist das Größte der Niederlande.

Der Park vor dem Garten Wubsbos, NL

Der Park “Maintebos”

Mittags erreichen wir die Stadt. Nachdem wir zentral geparkt haben, gibt es ein kleines Problem. Wir finden den Garten nicht. Auf unsere Nachfrage hin schickt man uns direkt in den Park “Maintebos” hinein. Was für ein Anblick und Duft! Weiß strahlen uns hunderte, nein eher tausende Blüten des Bärlauchs, Allium ursinum an. Ich mag den Geruch und bin begeistert. Plötzlich stehen wir vor dem Eingang des Waldgartens “Wubsbos”.

Wubsbos, der Garten von Harry Wubs und Jannie Bos

Schon während wir die Hausseite entlang nach hinten gehen, hören wir Jannie Bos fröhlich mit ihren Kaffeegästen auf der Terrasse lachen. Nach einer kurzen Begrüßung wende ich mich dem Garten zu. Auf dem Terrassen-Niveau gibt es einige Staudenbeete, dann geht es schon mehrere Stufen nach unten. Rechts befindet sich ein Teich. Über Holzplanken betritt man eine weitere Terrasse, aus dem gleichen Holzmaterial gearbeitet, wie der Steg über das Wasser. Die Sitzgruppe besteht aus halbierten großen Zinkwannen. Auf dem Holzboden stehen schon viele Pflanzen in Töpfen, die auf das endgültige Einpflanzen warten. Eye-Catcher sind die eisblauen Muscari-Blüten, die sich elegant über den Rand ihrer Schale hinausbeugen.

Am Wasser entdecke ich den Blattschopf einer weiß grün panaschierten Iris. Die weißblühende Etagen-Primel links daneben, nimmt den hellen Farbton auf. Gelbe Schlüsselblumen leuchten aus dem Hintergrund, während die Blütezeit der Sumpfdotterblume, Caltha palustris, gerade eine Pause einlegt. Etwas tiefer folgt ein zweiter Teich, der schattiger liegt, darum ist das Ufer dort mit Efeu, Farnen und Moos bestückt. Aus dem Wasser lugt der Fieberklee, Menyanthes trifoliata, heraus. Am Ende des kleinen Gewässers ragen die lanzettförmigen, leicht gebogenen Blätter der Sommer-Knotenblume, Leucojum aestivum, hervor. Die Blütenstiele haben ein kleines Problem damit, aufrecht stehen zu bleiben, denn sie tragen stets mehrere Blüten an einem Stiel. Das und die spätere Blühzeit unterscheidet sie übrigens von der Frühlings-Knotenblume, Leucojum vernum, die sich stets pro Stiel mit einer Blüte bescheidet.

Gegenüber wird der Weg von einem Staudenbeet begleitet, das so einfühlsam angelegt ist, dass sich jede Pflanze, jedes Blatt und jede Blüte völlig selbstverständlich und natürlich darin einfügt. Die Pflanzen im Vordergrund spielen in den Weg hinein und die hintere Seite mäandert, mal breiter und mal schmaler werdend, in den Gehölzrand mit seiner natürlichen Unterpflanzung hinein.

Allein die Tulpenauswahl finde ich sehr gelungen. Langblühende und häufig auch im kommenden Jahr wiederkehrende Darwin- und lilienblütige Tulpen sehe ich in einem harmonischen Farbschema hinter eingestreuten Wildtulpen, z.B. Tulipa clusiana. Sie sind, um der Natürlichkeit willen, nicht in großen Pulks gepflanzt, sondern wie zufällig einzeln oder in Kleinst-Grüppchen gesetzt. Dazwischen sind, dicht an dicht, die Spätfrühlings- und Sommerstauden am Sprießen. Für Mitte April ist der Waldsaum schon perfekt zugewachsen.

Impatiens omeiana, winterhartes Lieschen – die erste Pergola – Smilacina racemosa, Schattenblümchen

Ich bin so sehr mit dem rechts und links der Stufen beschäftigt, dass ich erst nach einem langen Bewundern des Leucojum aestivum-Bestandes unterhalb des Teiches realisiere, dass ich nicht nur durch die erste der drei im Garten befindlichen Pergolas hindurch gegangen bin, sondern bereits einen Großteil des Höhenunterschiedes von fast 5 Metern hinabgestiegen bin. Dabei sind mir allerlei seltene Schattenstauden aufgefallen, die man kaum zu sehen bekommt, so Impatiens omeiana, die ursprünglich in China endemisch wächst, oder das Schattenblümchen, Smilacina racemosa. Es ist alles so gut durchdacht und so harmonisch natürlich angelegt, dass der Park “Maintebos” hier seine formvollendete Fortsetzung in der Waldschlucht mit seiner besonderen, intensiven Atmosphäre findet.

1996 kauften Jannie Bos und Harry Wubs Haus und Garten im Maintebos. Ursprünglich war hier in den 1920er Jahren eine Sandgrube für den Gewinn von Bau-Sand. Der Abbau formte das Gelände und so entstand hier eine Waldschlucht mit beinahe 5 m Höhenunterschied, das ist für die nördlichen Niederlande etwas sehr Besonderes.

Als Jannie und Harry den Garten von den früheren Bewohnern übernahmen, war er nur rund um das Haus überschaubar. In der Schlucht regierten Bärenklau, Brombeergestrüpp und Efeu. Jannie formuliert es taktvoll so: “Sie liebten ihren Garten, aber offenbar nicht die Gartenarbeit”. Es war sicher eine Wahnsinnsaufgabe aus diesem verwahrlosten, vom Gelände her schwer zu bearbeitenden Areal den heutigen Waldgarten zu gestalten. Der Gartenname ist übrigens eine Kreation der Kinder, die die beiden Nachnamen von Harry Wubs und Jannie Bos kurzerhand zu “Wubsbos” zusammenfügten.

Nach und nach entstand aus der vormodellierten, etwas verwilderten Waldschlucht ein Garten mit einer bezwingenden Intensität und einem starken, natürlichen Charakter. Dabei folgten die Gärtner keinem Plan, sondern nur ihrem Gespür. Vorhandene Bäume und Sträucher blieben als Gerüst und die Pfade, die bei der Arbeit immer wieder benutzt und ausgetreten wurden, boten sich dafür an, zu festen Wegen ausgebaut zu werden. Kritische Stellen wurden mit alten Steinen gepflastert. Um das Auswaschen der Erde am Hang zu verhindern, legten Jannie und Harry Terrassen mit Trockenmauern an und fügten an steileren Stellen Stufen hinzu.

Der schwere Boden aus Geschiebe-Lehm wurde von Anfang an mit Hilfe eines großen Komposthaufens verbessert. Die Bepflanzung hatte das hauptsächliche Ziel, dem Garten ein natürliches Aussehen zu verleihen und ihn damit in die Park-Umgebung zu integrieren. Dabei ist es gelungen, den Garten so zu gestalten, dass er den größten Teil des Jahres attraktiv wirkt. Wie das jedes Jahr aufs Neue erfolgreich gelingt, versuche ich kurz in einer Jahreszeiten-Beschreibung aufzuzeigen.

Begonia “Sterling Moon’Fatsia japonica ‘Variegata’Dicentra ‘Gold Heart’

Spätwinter: Die Zeit der frühen Stinzenpflanzen begeistert Jannie besonders. Ausgehungert nach Farben ist gerade der gelbblühende Winterling, Eranthis, eine der absoluten Lieblingspflanzen von ihr. Zur Schneeglöckchenblüte öffnet Jannie bereits Ende Februar (ich berichtete darüber ausführlich vor einer Woche im Beitrag über “Het Tuinpad Op”). Für einen durchgehend wintergrünen Aspekt ist der Efeu zuständig. Viburnum ‘Bodnantense Dawn’, der Winterschneeball und Chimonanthus praecox, die Chinesische Winterblüte, sind die Lieblingsgehölze von Jannie. Mit diesen duftenden Winterblühern kann man getrost auf den Frühling warten.

Frühling: Er ist ein einziges Fest der Sinne. Tausende Blumenzwiebel, die sich teilweise von selbst vermehren, haben ihren großen Auftritt und können von Garten-Besuchern ab Februar, bis in den April hinein, (zu den gleichen Öffnungszeiten wie Rica van Delden, Stone Farm und De Houtstek) in Wubsbos bewundert werden.

Dicentra ‘Gold Heart’ – Akebia quinata, Klettergurke – Rhododendron

Sommer: Rund um das Haus gibt es viel Blühendes in den Rabatten. Die Waldschlucht ist nun hauptsächlich grün. Das bedeutet keineswegs, dass es eintönig oder gar langweilig ist. Stauden mit charakterstarken, panaschierten Blättern wie die silbern überhauchte Begonie, die weiß bemehlte Aralie, oder das gelblaubige Tränende Herz, ziehen die Blicke auf sich und setzen reizvolle Akzente.

Herbst: Natürlich haben Jannie und Harry den Gehölzbestand im Laufe der Zeit ergänzt und erweitert. Ihr Hauptaugenmerk lag dabei nicht so sehr auf den Blüten, sondern auf der Ganzjahreserscheinung. Eine schöne Rinde, spektakuläre Herbstfärbungen der Blätter, die Bildung farbiger Beeren oder interessante Samenstände, waren dabei wichtige Auswahlkriterien.

Der Garten wirkt vor allem darum so stimmig, weil die Pflanzenauswahl stets auf den größtenteils schattigen Standort abgestimmt ist. Schatten bedeutet natürlich auch, ein paradiesisches Dasein für Schnecken. Mit vielen schneckenresistenten Stauden wurde diesen jedoch beizeiten der Appetit verdorben.

Man könnte denken, Jannie kommt aus einem gärtnerischen Beruf, so stimmig liegt das schwer zu bearbeitende Gelände vor mir, dem ist aber nicht so. Die Herrin von “Wubsbos” philosophiert gerne, woher sie ihren grünen Daumen wohl hat. Sie stammt aus einem kleinen Bauernhof und begleitete den Vater oft auf die Felder. Rechts und links lebten und arbeiteten ein Obst- und Gemüsebauer, auf der anderen Seite ein Blumenzüchter. Sicher wurde ihr Interesse für Garten und Natur schon früh geweckt, ausleben konnte sie ihre Vorlieben dann in ihrem Wald-Garten in Winschoten.

Ihren Harry lernte Jannie im “Nieuwsblad van het Noorden” kennen. Das war eine regionale Tageszeitung, welche von 1888 bis 2002 in Groningen publiziert wurde. Sie arbeiteten beide für diese Zeitung und Harry schrieb acht Sommer lang eine Kolumne, betitelt: “Green Passion”. Die Beiträge handelten über Gärten in Groningen und Drenthe und Jannie war immer dabei. Auf diese Weise lernte sie ganz nebenbei eine Menge über die Pflanzen und Gärten ihrer nächstgelegenen Provinzen Groningen und Drenthe.

Als dann Wubsbos nach einigen Rückschlägen so gut gediehen war, dass Beide zufrieden waren, wurden sie ein Teil von “Groei & Bloei” und nahmen zum ersten Mal an einem Wochenende der “Offenen Gärten” teil. Gartenbesucher findet Jannie durchweg sehr nett, diese großartige Erfahrung rief nach Wiederholung. Ihr Hobby zu teilen, Erfahrungen auszutauschen und Freunde zu finden, genießt Jannie bis heute sehr.

Jannie Bos, Waldschlucht Wubsbos, Winschoten

Jannie Bos begrüßt ihre Besucher immer mit einem Lächeln

Nachdem die Beiden nicht mehr für die Zeitung arbeiteten, wurden sie Mitglied bei “Het Tuinpad Op”. Dank des Gartenführers wurde “Wubsbos” ausgewählt, für die Blumenzwiebelzüchter als Areal zur Verfügung zu stehen und Vorfrühlings- und Frühlings-Zwiebelpflanzen zogen in großer Zahl im Garten ein. Die Begeisterung war so groß, dass daraus, zusammen mit drei weiteren Gärten die “Groninger Blumenzwiebelroute” entstanden ist. Inzwischen gehört Jannie Bos zu den wichtigsten ehrenamtlichen Tätigen für “Het Tuinpad Op” auf niederländischer Seite. Dabei kommen ihr ihre früheren Berufserfahrungen und ihre angesammelten Gartenkenntnisse in Groningen und Drenthe sehr zugute.

Jannie und Harry liebten es nicht nur Gartenbesuche zu bekommen. Sie unternahmen auch selbst weiterhin Reisen. 1998 war der Senkgarten von Karl Foerster in Potsdam das Ziel. Jannie bekam von Marianne Foerster, der Tochter des berühmten Gärtners, damals Samen der wunderbar blau blühenden Ipomea geschickt. In späteren Jahren kehrten sie nach der Bundesgartenschau wieder in den Karl Foerster Garten zu einem erneuten Besuch zurück. Bei dieser Gelegenheit entdeckten sie auch das Schloss und den Schlosspark von Sanssouci in Potsdam. Mitte August waren dort schon erste Samen reif und Jannie nahm sich einige nach Winschoten mit. Das Ergebnis war für Jannie enttäuschend, große fleischige Pflanzen mit sehr kleinen Blüten keimten im folgenden Frühjahr. Obwohl sie kein Interesse für die Schattenpflanze hatte, säte sich diese immer wieder mit einigen Exemplaren aus. In der Januar-Ausgabe von “Groei & Bloei” lernte Jannie dann, dass sie sich Samen der Tinantia mit dem Trivialnamen “Witwentränen” mitgebracht hatte. Die “Witwentränen” verschwanden genau ein Jahr vor Harrys Tod aus dem Waldgarten und wurden durch Echte ersetzt… .

Myrrhis odorata, Süßdolde, Waldschlucht Wubsbos, Winschoten

Myrrhis odorata, Süßdolde

Die Behutsamkeit, mit der Jannie und Harry ihren Garten angelegt haben, spüre ich auf jedem einzelnen der insgesamt 1.700 Quadratmeter. Die Liebe, die Jannie und Harry, über viele Jahre im und mit dem Garten geteilt haben, ist bis heute, auch mehr als ein Jahrzehnt nach Harrys Tod, noch auf dem Areal wahrzunehmen. Ich glaube, dass die Verbindung zwischen Jannie, Harry und dem Waldgarten nach wie vor besteht und genau das schafft diese beeindruckende, intensive Atmosphäre, die Besucher, die für besondere Stimmungen empfänglich sind, schon nach wenigen Schritten umfangen kann.

Das Video mit Jannie Bos hat Erna de Wolff für Wurzerlsgarten gemacht, vielen Dank dafür. Stellt gerne den Ton laut und lernt Jannie ein wenig näher kennen.

Jannie genießt nach wie vor ihre Gartenarbeit. Es sind nicht nur die Pflanzen, sondern vor allem das Draußen sein, das Ausprobieren und Verfolgen des Geschehens in der Natur. Die Kontakte zu anderen Gartenbegeisterten möchte sie ebenfalls nicht missen. Vielen Dank liebe Jannie, dass ich Dich und Wubsbos kennenlernen durfte.

“Wubsbos” – Waldgarten Jannie Bos

Adresse.: NL – 9673 AK Winschoten, Sint Vitusholt 86, Provinz Groningen (Achtung, der Garten ist in den Park Maintebos integriert)

Kontakt: Tel. +31 597-420896, E-Mail: info@wubsbos.nl, Website: www.wubsbos.nl

Jannie Bos, bearbeitet auch die Pr-Niederlande und die Redaktion für die Webseite: www.hettuinpadop.nl

https://www.hettuinpadop.nl niederländisch / https://www.innachbarsgarten.de deutsch

Dort finden sich neben Jannie Bos Garten “Wubsbos” auch etwa 130 andere Gärten aus den niederländischen Provinzen Groningen und Drenthe und auf deutscher Seite aus Nordwest-Niedersachsen.

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4 Kommentare

  • Susanna sagt:

    Liebe Renate,
    ein eindrucksvoller Garten mit einer bemerkenswerten Pflanzenauswahl. Da sieht man, wie schön Schatten sein kann, wenn konsequent standortgerecht gepflanzt wird. Die Sitzgruppe aus Zinkwannen ist ein Hingucker! Hast du Probe gesessen?
    Liebe Grüße
    Susanna

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Susanna, ich hatte so viel zu schauen und mein Zeit-Fenster war klein, darum konzentrierte ich mich auf die Fotos. Ich bin ja nicht die beste Fotografin vor dem Herrn und weiß, dass ich an einem Hang besonders konzentriert sein muss, damit man eine Vorstellung vom Gelände bekommt. Beeindruckt war ich jedenfalls sehr von den halben Badepötten als Sitzplatz. LG Wurzerl

  • Erna de Wolff sagt:

    Liebe Renate
    Es war ein sehr schöner Ausflug nach Winschoten. Jannie ist eine unglaublich aktive liebe Frau und sehr viel älter, als wir denken. Sie und ihr Garten lassen mich gelassen auf das Thema „im Alter einen großen Garten „ zu haben, sein.
    Sie sind eine Reise wert

  • Hallo Renate,
    schattige Gärten sind immer eine tolle Inspiration, wenn der eigene auch zum Schatten neigt. Danke für’s Zeigen!
    VG
    Elke

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