Sommer und Manitous Apotheke im Hermannshof

Blick in das Prachtbeet mit Sommerblumen im Hermannshof

Abgesang

Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres möchte ich Euch nach Weinheim in den Hermannshof einladen. Warum alles in diesem Jahr? 2023 scheint mir für den weiteren Werdegang des bisherigen Stauden- Sichtungsgartens in Weinheim schicksalhaft zu sein. Irgendwie befürchte ich, dass ich schon wieder an einer unwiederbringlich verlorenen Retrospektive arbeite.

Nach einer Satzungsänderung ist der Hermannshof kein botanisches Experimentierfeld mehr. Es wird künftig dort keine neuen Sichtungen mehr geben. Prof. Dr. Cassian Schmidt hat seine Wirkungsstätte verlassen und es gibt jede Menge Stoff für die Gerüchteküche.

Fakt ist, dass der Hermannshof in Weinheim mit seiner mehr als 20000 qm großen Gartenanlage, in die eine klassizistische Villa und ein Gärtnerhaus eingebettet sind, der Privatbesitz der Familie Freudenberg ist, die dieses einmalige Projekt über Jahre größtenteils finanzierte. Das war in bester Lage in der Weinheimer Altstadt ein sehr großzügiges Unterfangen.

Angelica sylvestris ‘Vicar’s Mead’ – Ammi visnaga ‘Blütenball’, Zinnia elegans ‘Envy’ – Pennisetum marcourum ‘White Lancer’, Gras

Warum diese erfolgreiche Kooperation plötzlich aufgekündigt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Immer wieder ist jedoch zu lesen, dass der Garten als Erholungsstätte für die Weinheimer Bürger erhalten bleiben soll. Ob künftig noch Garteninteressierte und Wissenschaftler von weither anreisen und zur Gartenanlage pilgern darf bezweifelt werden.

Ich denke, die dynamische Staudenvielfalt in den Beeten, die jährlich zugenommen hat, wird sich nach und nach auf pflegeleichte und sich robust durchsetzende Staudengesellschaften reduzieren. Dieses und nächstes Jahr wird vielleicht noch der Glanz der Pflanzungen zu ahnen sein, was dann geschieht, ich weiß es nicht.

Dringend möchte ich Euch ermutigen, wenn Ihr den Hermannshof noch einmal so erleben wollt, wie Ihr ihn kennengelernt habt, oder ihn noch nie gesehen habt, dann plant bitte so schnell wie möglich einen Besuch, damit Ihr noch möglichst viel von der faszinierenden Authentizität des Gartens spüren könnt. Ich persönlich bin dankbar, dass ich den Hermannshof so, wie ich ihn Euch heute zum dritten Mal mit dem Sommeraspekt zeige, über mehrere Jahre zu verschiedenen Jahreszeiten erleben und wunderbare Stunden darin verbringen durfte.

Eryngium amethystinum, Amethyst-Mannstreu – Felsensteppe – Eryngium giganteum, Elfenbein-Mannstreu

Bevor wir in die schattigeren Bereiche des Gartens eintauchen, möchte ich noch nachtragen, durch welche Teile des Hermannshofes wir gegangen sind. Vom Haupteingang liefen wir direkt zum Gärtnerhaus, schauten uns dort den seitlich gelegenen Wechselflor an und gelangten dann über die Nordamerikanischen Beetstauden hinter dem Gärtnerhaus,über die Freiflächen, bis hinter zum Hügel mit der Steppenheide und Felssteppe. Jetzt gehen wir aus der direkten Sonne heraus und schlendern die Gehölzränder entlang.

Spaziergang zu den Halbschatten-Bereichen der Gehölzränder

Hemerocallis citrina, Zitronen-Taglilie, Sanguisorba tenuifolia ‘Albiflora’, Weißblühender Wiesenknopf – Hemerocallis ‘Haller Marabuk’, Taglilie – Hemerocallis ‘Haller Marabuk’, Taglilie

Bevor wir den Gehölzrand erreichen, finden wir noch sonnenliebende Stauden, die allerdings einen frischen Boden benötigen. Für den Wiesenknopf und die Taglilien gibt es hier die besten Bedingungen.

Die Blühfarbe Weiß ist immer eine gute Wahl im Halbschatten, Weiße Herbstanemonen, Actaea rubra fo. neglecta, das Weißfrüchtige Christophskraut und Actaea racemosa var. racemosa, die Juli-Silberkerze gedeihen am Gehölzrand gut.

Boehmeria japonica, Japanische Ramie – weiße Lilie – Boehmeria platanifolia, Platanenblättrige Ramie

Es hat lange gedauert, bis sich die Gattung Boehmeria in unseren Gärten durchgesetzt hat. Ist es die optische Ähnlichkeit mit der Brennnessel, die das lange verhinderte? Die prächtigen Exemplare in den Schattenbereichen des Hermannshofes haben sicher ihren Anteil daran, dass diese wunderbaren Strukturstauden inzwischen auch öfter in Privatgärten zu sehen sind.

Manitous Apotheke

Es wird Zeit über die Freiflächen in Richtung Eingang zurückzugehen. Heute ist mein wichtigstes Ziel der Präriegarten gegenüber dem Konferenzhaus. Die Gräser und Präriestauden sind am Höhepunkt, aber einige Arten sind auch hier schon verblüht und zeigen beeindruckende Samenstände, wie etwa die Baptisia.

Die Prärien sind ursprünglich in der „Neuen Welt“ zuhause. Ausgehend vom Fuß der Rocky Mountains besiedelten sie Riesenflächen im zentralen Nordamerika. Im Präriegarten des Hermannshofes präsentieren sich auf 1500 qm Fläche etwa 300 typische Pflanzenarten der Hoch- und Mischgrasprärie. Die Stauden der Hochgrasprärie sind teilweise so hoch, dass man sich in den engen Wegen dazwischen, bei entsprechender Karl May-Fantasie wie ein Indianer auf dem Kriegspfad fühlen kann. Immer gut sichtbar sind dabei die Schilder, die auf die Pflanzen hinweisen, die für die Indianer seinerzeit zum Überleben in der Wildnis Schlüsselrollen gespielt haben.

Allium canadense, Kanada-Lauch – Andropogon gerardii, Großer Blauhalm – Asclepias speciosa, Pracht-Seidenpflanze

Der Kanada-Lauch, aber auch der Nickende Lauch werden stellvertretend für die Wildzwiebeln als wichtige Nahrungsquelle bezeichnet, die dank der antiseptischen Wirkung zusätzlich für eine Vielzahl von Heilmitteln verwendet wurden.

Der Große Blauhalm ist ein Weidegras für Bisons und Heulieferant für das Vieh. Der Proteingehalt ist besonders hoch. Die Indianer nutzten den Sud je nach Stamm gegen verschiedene Krankheiten wie Bauchschmerzen oder Fieber.

Verschiedene Arten der Seidenpflanze wurden als Gemüse gekocht, dabei wurde das Kochwasser ausgetauscht, um die bitter schmeckenden Giftstoffe zu entfernen. Die Cheyenne benutzten die Pflanze gegen Erblinden, vor allem bei Schneeblindheit. Gute Dienste leistete sie bei chronischer Nierenschwäche, Rippenfellentzündungen und Muskelrheumatismus der Brustwände.

Baptisia alba var.macrophylla, Weiße Färberhülse – Parthenium integrifolium, Prärieampfer – Yucca glauca, Blaugrüne Palmlilie

Die verschiedensten Baptisia-Arten, wie die Weiße Färberhülse, die cremegelbe Indigo-Lupine, oder der Falsche Indigo wurden als Färberpflanzen benutzt. Die Ureinwohner, später auch die Siedler, nutzten Tee-Aufsud zur inneren Entschlackung, Reinigung und äußerlichen Hautwunden-Behandlung. Die cremegelbe Indigo-Lupine wirkte fiebersenkend, antiseptisch, abführend, brechreizend und stärkend auf das Immunsystem. Allerdings kann eine zu hohe Dosierung auch zum Tod durch Atemlähmung führen. Die Wurzeln vom falschen Indigo halfen zur Wundbehandlung und gegen Durchfälle. Das in der Wurzel enthaltene Esberitox wird als pflanzlicher Wirkstoff auch heute noch in der Schulmedizin für Medikamente zur Stärkung der Abwehrkräfte bei Erkältungskrankheiten genutzt.

Der Prärieampfer wurde zur Behandlung von Wechselfieber, z.B. verursacht durch Malaria, erfolgreich eingesetzt.

Teile der Blaugrünen Palmlilie diente den Kiowas als köstliches Nahrungsmittel. Die Lakota tranken Tee aus der pulverisierten Wurzel gegen Magenschmerzen. Die Wurzeln wurden auch zum Stoppen von Blutungen und zur Behandlung von Brüchen, Verstauchungen und Arthritis benutzt.

Echinacea purpurea u. pallida – Silphium perfoliatum, Becherpflanze – Desmodium canadense, Kanadischer Wandelklee

Echinacea pallida und purpurea dienten den Indianern als “Allheilmittel” bis hin zu Schlangenbissen. Dank dem Saft der Echinacea, der offenbar schmerzreduzierend wirkte, gelangen Indianern Mutproben besser und es entstand das bekannte Sprichwort: “Indianer kennen keinen Schmerz”.

Die Gattung Silphium hatte bei der indigenen Bevölkerung unterschiedliche Funktionen. Becherpflanze, Kompasspflanze und Prärie Doc werden die einzelnen, verwendeten Arten genannt.

Der Kanadische Wandelklee ist medizinisch hochinteressant, da er zu den seltenen Pflanzen gehört, die Leberzellen regenerieren können. Das Desmodium kann zum Beispiel nach einer Chemotherapie den Körper von Giftstoffen befreien und hilft bei einer viralen Hepatitis oder alkoholgeschädigten Lebern.

Das Nebeneinander von Blüten und Samenständen ist für die Kleintierwelt besonders interessant. Schneidet man verblühtes nicht ab, entdeckt man nicht nur kleine Marienkäfer, nein auch Schwalbenschwanz-Raupen findet man an den entsprechenden Futterpflanzen, wenn man Glück hat.

Lebe wohl Hermannshof

Ich werfe noch einige Blicke auf die Präriepflanzungen, dann gehe ich langsam in den Gehölzbereich, um zum Ausgang der Babostraße zu gelangen.

Rosa roxburghii f. normalis, Igel-Rose – Burgruine über Weinheim – Ostrya carpinifolia, Hopfenbuche

Es macht ja durchaus Sinn, diesen Garten mit der Pflanzenvielfalt, die ihm ein immer neues Gesicht verleiht, zu verschiedenen Jahreszeiten zu besuchen. Ich kenne sie alle und werde Euch auch den Herbstaspekt noch abschließend im September vorstellen. Verblüfft bin ich jedes Mal erneut bei der Durchsicht der Fotos, weil ich immer wieder Neues entdecke, das mir die Jahre davor nicht aufgefallen ist. Dieses Mal ist es der Blick auf die Burgruine, die über der Stadt Weinheim liegt und die ich das erste Mal bewusst bei meinem letzten Besuch im Hermannshof entdeckte.

Mein letztes Augenmerk gilt den alten Bäumen im Garten. Was haben sie nicht schon alles gesehen? Was können sie alles aus ihrer Vergangenheit von Weinheim und dem Hermannshof berichten? …und was werden sie in 5 Jahren erzählen? Ich weiß es nicht, man soll etwas beenden, wenn es am schönsten ist, das heißt, ich werde Weinheim wohl aus meinen künftigen Reiseplänen heraushalten.

Aber natürlich würde mich interessieren, ob Ihr in diesem Jahr schon dort wart? Vielleicht im Zusammenhang mit der Gartenschau in Mannheim? Dann antwortet gerne, ob Eure Erwartungen an diesen so besonderen Garten, noch erfüllt worden sind. Ich freue mich darauf, von Euren Erfahrungen zu hören.

Stauden- und Sichtungsgarten Hermannshof

Adresse:

PLZ 69469 Weinheim, Babostr. 5

Website:

https://sichtungsgarten-hermannshof.de/

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5 Kommentare

  • Ich habe 2019 diesen schönen Garten sehen können.Bin froh da komme ich nicht mehr so schnell hin aus Ostfriesland. Es war sehr beeindruckend. Es ist schade das diese Ära jetzt wahrscheinlich endet.Liebe Grüße Karin

    • Das Wurzerl sagt:

      Es gibt wenige “Garten-Mekkas” in Deutschland, das hier war meiner Ansicht nach eines. Ich hoffe, dass Großteile der wertvollen Bepflanzung zumindest der Struktur nach, erhalten bleiben. Schönes WoE für Dich. LG Wurzerl

  • Susanna sagt:

    Liebe Renate,
    das sind ja interessante Neuigkeiten über den Hermannshof. Wie schade, dass da möglicherweise eine Ära zu Ende geht. Wir haben Herrn Schmidt bei unserem letzten Besuch noch angetroffen. Da wird es Zeit, dass ich meinen vor zwei! Jahren begonnen Beitrag endlich zu Ende schreibe … Es gibt Artikel, da bleibt man zwischendurch stecken, genauso wie zwei Botanische Gärten, mit denen ich mich schwer tue. Vielleicht einfach, weil die vielen Eindrücke den Rahmen sprengen … Die Heilpflanzen der indigenen Präriebewohner hast du wunderbar ausführlich dargestellt, vielen Dank dafür. Das habe ich nicht so ausführlich nachgelesen.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Susanna

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Susanna, ich bin froh, dass ich Prof. Schmidt noch persönlich nach der Foto- und Veröffentlichungs-Erlaubnis für diesen Privat-Garten gefragt habe. Wer weiß, ob ich das sonst für die Fotos der letzten drei Jahre noch erreicht hätte. Ich wünsche Dir ebenfalls ein schönes Wochenende. Bin gespannt auf Deinen Bericht über den Garten. LG Wurzerl

  • Hallo Renate,
    wir sind sogar im Mai dran vorbeigekommen auf dem Weg zum Kaiserstuhl, aber wir wollten nur ankommen, da haben wir ja viel verpasst.
    VG
    Elke

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