Weihenstephan öffnet wieder seine Pforte
Der Staudensichtungsgarten Weihenstephan in Freising und der Hermannshof in Weinheim sind für mich die wichtigsten öffentlichen Gärten in Deutschland. Interessanterweise verlangen Beide keinen Eintritt, sondern bieten dem Besucher kostenlos mannigfaltige Inspirationen für das Anlegen spezieller Habitate und Informationen zur richtigen Pflanzenwahl und Pflege.
Cercis canadensis ‘Forest Pansy’, Blüte – Cercis canadensis ‘Forest Pansy’, Habitus – Malus coccinella, Blüte
Weihenstephan hat noch dazu den Vorteil an eine Universität angeschlossen zu sein, die sich mit zukunftsträchtigen Themen wie: Agrarwissenschaften · Digitalisierung & Technik · Ernährung & Lebensmittel · Ökologie & Umweltplanung · Klima- & Umweltschutz · Wirtschaft & Management, befassen. Nicht nur Studenten profitieren von den breit gefächerten Studiengängen der Naturwissenschaften, auch die Qualität des Gartens ist ersichtlich überdurchschnittlich. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Garten schon lange zu den Sichtungsgärten in Deutschland gehört.
Narcissus ‘Spellbinder’, Trompeten-Narzisse – Obstbaumblüte im Eingangsbereich – Narcissus ‘Silver Chimes’, Tazetten-Narzisse
Weinheim ist für mich eine Tagesreise entfernt. Wie gut, dass ich Freising in einer Dreiviertelstunde erreichen kann. Entsprechend oft bin ich da, um mir die Fortschritte der Beete innerhalb eines Vegetationsjahres anzuschauen. Ja, so ein klein wenig, ist das mein “Zweitgarten”, so oft fahre ich hin. Die kurze Entfernung ist ideal für mich, allerdings mit einem kleinen Wermutstropfen versehen. Der Sichtungsgarten öffnet jährlich erst ab April nach 5 Monaten Winterpause, seine Pforten. Dieses Jahr wird es direkt am 01.04.25 sein und das Datum ist hoffentlich kein Aprilscherz.
Muscari armeniacum – Polygonatum odoratum – Pulsatilla vulgaris
Dieser Öffnungsmodus lässt mich alle Blüten von November bis einschließlich März verpassen. Ich kann mich ausgerechnet in der blütenarmen Zeit nicht darüber informieren, wie ich meinen Garten optimieren könnte. Dabei werden die Winter immer milder und die Insekten, Hummeln und andere Wildbienenarten fliegen schon ab 5 + Grad. Ich kann sie oft schon im Januar an meinen Helleborus niger und Galanthus Sorten beobachten und hätte gerne weitere Anregungen für Winterblüher. Wie gerne würde ich zur Abwechslung einmal nicht nur die spektakuläre Herbstfärbung der Hamamelis Gehölze in Weihenstephan bewundern, sondern sie auch in Blüte erleben!
Paeonia wittmanniana, Kaukasus-Pfingstrose – Leucojum aestivum, Sommerknotenblume – Paeonia officinalis
Es ist sicher nicht sinnvoll, den Staudensichtungsgarten (in dem natürlich auch Gehölze gesichtet werden) im Winterhalbjahr täglich zu öffnen. Von Mitte Oktober bis Mitte März würden meines Erachtens je 2 Öffnungstage pro Monat völlig ausreichen. Evtl. sonntags, alle 14 Tage, bei Schneefreiheit, das wäre nicht zu aufwendig, würde aber Gartenlaien gerade in der Zeit Impulse geben, wie sie dem Vorsatz von Karl Foerster: “Es wird durchgeblüht” näherkommen könnten. Ich fände so eine Lösung schon im Zeichen des Klimawandels gerechtfertigt. Der Bildungswille von Gartenfreunden sollte bitte nicht mehr 5 Monate lang ausgebremst werden.
Wenn ich im April meinen Antrittsbesuch im Sichtungsgarten absolviere, dann ist der Garten bereits in Hochform. Späte Narzissen und frühe Tulpen blühen um die Wette und ziehen überall die Blicke auf sich. Viele Gehölze empfangen mich schon im Eingangsbereich mit Blütenwolken von weiß über rosa bis purpurrot. Die Zaubernüsse und ein Großteil der Unterpflanzungen mit Vorfrühlingsgeophyten sind zwar zu diesem Zeitpunkt schon verblüht, aber dank der Vielfalt im Garten entdecke ich viele verschiedene, blühende Elfenblumen und andere attraktive Bodendecker. Im Päonien-Quartier herrscht noch Zurückhaltung bei den Stauden, aber Wildformen wie Paeonia wittmanniana und Paeonia officinalis zeigen schon ihre volle Blütenpracht.
Der Steingarten ist im April schon in Hochform
Ein spektakuläres Doppelband von gelborangen Tulpen und weißen Narzissen, von einem Wiesenweg geteilt, zieht alle Blicke voll auf sich. Erst im letzten Moment erkenne ich darunter den Steingarten-Hang.
Obwohl er bereits im April den ersten Höhepunkt erreicht, ist die Masse an Geophyten darüber so intensiv, dass ich mich erst “Einschauen” muss. Dabei finde ich die Farben Gelb und Weiß ganz genial gewählt, denn das sind auch die Hauptfarben der Steingarten-Pflanzen, die im April blühen. Erst als ich direkt am terrassierten Steingarten stehe, erkenne ich den Blütenreichtum, der hier herrscht. Im alpinen Bereich ist alles eine Nummer kleiner. Das gilt auch für Narcissus jonquilla ‘Curlew’ und die roten Wildtulpen, die zwischen den zahlreichen Polsterpflanzen gedeihen.
Globularia nudicaulis, Nacktstänglige Kugelblume – Blick auf den Steingarten im April – Dryas octopetala, Weiße Silberwurz
Die Liebe zu den zwergigen Stauden habe ich offensichtlich von meiner Mama geerbt. Sie schleppte mich im Kindesalter schon regelmäßig, wenn wir zum Botanischen Garten nach München fuhren, als Erstes in das beeindruckende, große Alpinum, wo sie mir ihre Lieblingspolster zeigte. Meist waren es die kleinsten vorhandenen Blüten einer Gattung.
Papaver alpinum, Alpen-Mohn – Sempervivum Hybride – Narcissus bulbocodium, Reifrock-Narzisse
Mein persönlicher Favorit im Pflanzenreich war schnell die Gattung Sempervivum. Wo immer ich die kleinen, knuffigen Halbkugeln oder Bälle entdeckte, kannte mein Entzücken keine Grenzen. Mit 1.60 m gehörte ich als Erwachsene nun auch nicht gerade zu den Größten, so war es nicht verwunderlich, dass ich irgendwann als “Wurzerl” durchs Leben weiterwanderte. Das ist eine bayerische Verniedlichungsform des zweiten Teils der “Hauswurz”. Meine Wurzerlküche war dann auch eine meiner ersten eigenen Kreationen in meinem Garten.
Prunus tenella ‘Speciosa’, Russische Zwerg-Mandel – Papaver alpinum, Alpen-Mohn – Iris trojana, Trojanische Iris
Der Steingarten von Weihenstephan ist sehr abwechslungsreich gestaltet. Kleinstgehölze sind malerisch integriert und im hintersten Teil, der schon etwas Halbschatten vom Arboretum her genießt, finde ich auch passende Steingartenpflanzen, die nicht auf volle Sonne angewiesen sind.
Hier herrschen andere Auswahl-Kriterien für die Pflanzen als im Botanischen Garten München. Der Gartenlaie lernt viele neue Steingartenpflanzen kennen, die auch in einem eigenen Alpinum erfolgreich kultivierbar sind. So manche Schönheit zeigt sich erst, wenn man mehrmals im Jahr nach Weihenstephan pilgert. Wenn ich zum Beispiel an das Ahornblatt, Mukdenia rossii denke, das so unscheinbare weiße Blüten hat, dass mir kein vernünftiges Foto zum Zeigen gelungen ist, so ist es nicht verwunderlich, dass es übersehen und kaum gepflanzt wird. Wer allerdings den Sichtungsgarten im Herbst besucht und die spektakulär gefärbten roten Blätter sieht, der wird sich den Namen der Pflanze sicher aufschreiben.
Den Hauptweg entlang zum weißen Garten, der Wildblumenwiese und dem Arboretum
Vom oberen Hauptweg aus habe ich einen guten Überblick und kann gezielt die Gartenpartien auslassen, die noch “Sendepause” haben. Dazu gehört das berühmte lange Doppelborder, in dem momentan nur einige Gehölze und die abgeschnittenen Stöcke der Miscanthus-Gräser stehen.
Einige Quartiere, wie das große Päonienfeld und gegenüber die Taglilienpflanzung, stammen noch von früheren Staudensichtungen. Erstere werden im Mai und Juni ihren Höhepunkt erreichen. Die Hemerocallis lassen sich noch mehr Zeit und blühen hauptsächlich im Juli, August. Trotzdem gibt es schon wunderbar angelegte Gartenteile, die ich langsam durchschlendere und nicht weiß, gefällt mir der Blütenteppich am Boden besser oder die exquisite Baumblüte in luftiger Höhe. Manche Teilareale, wie der weiße Garten, präsentieren sich von April bis Ende Oktober attraktiv.
Ein wenig zurückhaltender ist die Bepflanzung im Arboretum. Den Vorfrühlingsflor kann ich nicht beurteilen, aber was ich jetzt alles dort finde, gefällt mir schon sehr gut.
Rhododendron wardii ‘Graf Lennart’ – Mahonia aquifolium ‘Smaragd’, gewöhnliche Mahonie – Chaenomeles versicolor ‘Lutescens’
Aufgeteilt in mehrere lange und breite Teilbereiche zeigt sich das Arboretum sehr abwechslungsreich. Es zieht sich hinter dem Steingarten im unteren Bereich des Sichtungsgartens bis ganz ans Grundstücksende und macht dann einen Knick, um die Schmalseite der Peripherie nach Norden weiterzulaufen. Die Bodenverhältnisse verändern sich dabei unmerklich, so dass Rhododendron-Pflanzungen genauso möglich sind, wie die Anlage des sogenannten Haselnussquartiers.
Egal, ob im Schatten der Bäume, oder an den Gehölzrändern, es ist immer eine intensive Bodendecker-Pflanzung vorhanden. Dazwischen eingestreut sind großzügige Gruppen von Frühlingsgeophyten, wie Narzissen und Fritillaria.
Zum Schluss besuche ich, traditionell, meine vielgeliebte Staudenwiese, die den Schutz von Gehölzen auf drei Seiten genießt, aber trotzdem den größten Teil des Tages viel Sonne empfängt. Unter dem mehrstämmigen, mittig platzierten Leitgehölz blüht gerade Buglossoides purpurocaeruleum, die Blaurote Steinsame, auf. Weitläufig umrahmt wird diese Szenerie im April von vielen, sehr natürlich anmutenden Narzissen in Weiß und Gelb. Und mit genau diesem Bild fahre ich heute nach Hause.
Der Stauden-Sichtungsgarten Weihenstephan ist von April – Oktober durchgehend geöffnet. Jeder Monat hat seine besonderen Höhepunkte, was Habitate und die verschiedenen Leit-Gattungen betrifft. Darum werde ich Weihenstephan nach und nach ergänzen, damit Ihr den Garten an allen geöffneten Monaten kennenlernen und gegebenenfalls zu Eurer bevorzugten Zeit besuchen könnt.
Bereits veröffentlichte Beiträge über den Stauden-Sichtungsgarten Weihenstephan in Wurzerlsgarten:
Der Sichtungsgarten im Monat Juli:
https://www.wurzerlsgarten.de/deutsche-gaerten/sichtungsgarten-weihenstephan-teil-3-juli-22/
Der Sichtungsgarten im Monat September:
https://www.wurzerlsgarten.de/deutsche-gaerten/weihenstephan-teil-i/
Der Sichtungsgarten im Monat Oktober:
https://www.wurzerlsgarten.de/deutsche-gaerten/weihenstephan-teil-2-oktober-20/
Stauden-Sichtungsgarten Weihenstephan
Adresse: Am Staudengarten 8, 85354 Freising,
Kontakt: Tel. 08161/714026, Website: https://www.stauden.de/sichtungsgarten-weihenstephan.html
4 Kommentare
Was für ein herrlicher Ausflug in den Frühling, liebe Renate! Nur eine Dreiviertelstunde entfernt – da bin ich fast ein bisschen. neidisch … Ich habe den Garten in Weihenstephan nur einmal im Hochsommer besucht und war begeistert. Ihn durch die Jahreszeiten verfolgen zu können, muss wirklich toll sein.
Liebe Grüße
Susanna
Hallo Renate,
der gehört zu meinen Zielen, aber ich habe es noch nie hingeschafft.
So eine tolle Auswahl an ungewöhnlichen Pflanzen bei schöner Gestaltung.
VG
Elke
Liebe Renate
ein wunderschöner Ausflug für mich , mit einem Kaffee in der Hand und deinen wieder schönen Erzählung/ Erklärung von dem schönen und auch großen Sichtungsgarten. Danke für den Sonntagmorgenausflug.
Sehr gerne liebe Erna, freut mich sehr, wenn es Dir gefallen hat. LG Wurzerl