Renate Stengel, Hanggarten mit Überraschungen

Ankommen

Meine Begegnung mit Renate Stengel verdanke ich tatsächlich meiner Website. Sie surft gerne durch Wurzerlsgarten zu den “Garten-Spaziergängen” und “Gartenimpressionen” und kommentiert regelmäßig. Irgendwann tauschten wir einige Mails aus, denen eine Gartenbesichtigungs-Einladung von Renate zu sich nach Sulzdorf an der Lederhecke folgte.

Die unterfränkische Gemeinde Sulzdorf a.d.L. gehört zum Landkreis Rhön-Grabfeld und grenzt unmittelbar an den Freistaat Thüringen. Das Wort “Lederhecke” hatte ich als geographischen Begriff nie zuvor gehört. Es bezieht sich aber sicher auf einen kilometerlangen waldreichen Höhen-Streifen, der die Grenze zu Thüringen markierte. Egal, ob der Name von “Schlammwasser” oder “Weidewald” abgeleitet wird, beides passt zum Gemeinde-Namen Sulzdorf, der als “Dorf an der Salzquelle” oder “Dorf im Morast” ebenfalls unterschiedlich interpretierbar ist.

Der untere Garten

Kaum habe ich die Gemeinde erreicht, führt mich das Navi auch schon an den Ortsausgang. Ich bin am Ziel. Ein schmaler Wasser-Graben und Fahrrad- Fuß-Weg trennt mich noch vom Grundstück. “Oh”, denke ich so bei mir: “Meine Namensgenossin ist eine Hang-Gärtnerin, da bin ich jetzt aber gespannt!”. Tatsächlich kommt es selten vor, dass ich Gartenbesitzer so gut wie gar nicht kenne, meist sind sie mir aus der Gesellschaft der Staudenfreunde, oder einer meiner Facebook-Gruppen geläufig. Aber wir sehen uns, lachen uns an und natürlich, Gartenmenschen fremdeln nicht, da ist einfach sofort der grüne Faden da, so auch hier!

Nach einer kleinen Kaffee-Ankomm-Beschnupper-Pause lasse ich meine Gastgeber mit meiner Begleiterin Christa Schroth am Tisch zurück und gehe zurück zum Eingangsbereich, um dort mit meiner Fotorunde zu beginnen.

Der untere Gartenteil wurde beim Hausbau fast auf das Straßenniveau gebracht. Das Haus selbst ist so in den Hang integriert, dass auf der Gartenrückseite ein Stockwerk weniger zu sehen ist, als im unteren Bereich. Mit dem Aushub wurde auch oben eine Begradigung herbeigeführt, so gut es ging. Am deutlichsten gartentechnisch betrachtet, sieht man den Hang an den beiden Seiten. Peripherieseits wurden Stufenbeete angeböscht, um auch hier möglichst viele Geraden in den Beeten zu bekommen.

Auf der linken Seite führt ein breiter Weg mit einer Treppe zur Haustüre, gegenüber öffnet sich die dichte Bepflanzung für einen gemütlichen Sitzplatz, deren es im Garten an den verschiedensten Stellen, so einige gibt. Während dieser geschützt grün umrahmt ist, blickt man vom oberen Platz direkt in die Felder-Landschaft  mit vereinzelten Knicks und Bäumen.

Da ich momentan im untersten Gartenteil stehe, sehe ich jedoch nur einen wunderschönen Teich, der von einem vielfältigen Mixed Border umrahmt ist. Eine weidenblättrige Hängebirne, Pyrus salicifolia ‘Pendula’, schirmt den Blick in die Richtung zum Gartentor ab. Hohe Stauden, wie Symphytum x uplandicum ‘Variegatum’, panaschierter Beinwell und Miscanthus sinensis ‘Variegatus’, das weißgrüne Chinaschilf, übernehmen die silberweiße Blattfarbe. Dazu gesellt sich ein fast schwarzroter Blatt-Ton in einem japanischen Fächerahorn am Teich, bei Sambucus nigra ‘Black Lace’, dem Schwarzen Holunder, sowie Cercis canadensis ‘Forest Pansy’, dem kanadischen Judasbaum.  Zwischen diese klare Farb-Vorgabe schmiegen sich nun Rosen in verschiedensten weiß, rosa und karmesinrosa Blütenfarben, wie die Rosen ‘Louise Odier’, ‘Guirlande d’Amour’, ‘Marguerite Hilling’, oder ‘Flashlight’, um nur einige zu nennen.

Die Zwischenräume füllte Renate Stengel mit sicherem Farbgespür ebenfalls in weiß bis karmesinrosa Tönen mit Stauden wie verschiedenen Allium (Allium nigra, schubertii, sphaerocephalon, ‘Purple Sensation’, ‘White Giant’, ‘Gladiator’ u.a.), Spornblumen (Centranthus ruber), Gräsern und Purpur-Leinkraut (Linaria purpurea) auf. Romantisch, stimmig, ja, einfach wunderschön ist dieses Ensemble der “untersten Etage” Renate Stengel gelungen – Kompliment an die Headgardenerin.

Der obere Garten

Rosa ‘Perennial Blue’ und Digitalis lutea, gelber Fingerhut – Iris pallida ‘Aurea Variegata’, Panaschierte Schwertlilie – Clematis integrifolia ‘Durandii’ und Sempervivum

Au weia, da habe ich mich jetzt aber ganz schön verplaudert. Inzwischen sind wir tatsächlich schon die Seite “hochgewandert” zum oberen Gartenteil. Ich hoffe, Ihr seid nicht aus der Puste gekommen? Ich habe es jetzt, vor lauter Ratschen, gar nicht gemerkt. Der Kniff, mit dem Anlegen von Stufenbeeten ist visuell und praxisbezogen eine tolle Sache. Wir stehen allerdings inzwischen schon ganz oben. Hier wird es richtig bunt. Ein wunderbarer, fröhlicher Sammlergarten mit tausend Blumen, aber auch immer wieder Essbarem dazwischen, wartet auf uns. Ich glaube, ich brauche noch einen Kaffee.

Es gibt im Garten von Renate Stengel eine Hostasammlung, die im Halbschatten der Randbereiche verteilt, schöne Akzente setzt. Bevor sich die Blattrosetten komplett entfalten blühen davor schon frühe Geophyten, wie die geliebten Schneeglöckchen und später Allium. Damit es nicht zu hostalastig wird sind auch andere Blattformen zwischen die Funkien gesetzt worden. So entdecke ich das gefingerte Laub von Helleborus und die kleineren gezahnten Blätter der Boehmeria. Allium nigrum, der Zierlauch,Tanacetum parthenium, das Mutterkraut und Papaver rhoeas, der Seidenmohn führen mich anschließend direkt zu den sonnigsten Stellen im oberen Gartens.

Paeonia lactiflora ‘Sarah Bernhardt’ – Paeonia lactiflora ‘White Cap’ – Paeonia lactiflora ‘Coral Charm’

Hier fühlt sich im warmen, frischen Boden eine kleine, erlesene Paeonien-Sammlung wohl. Da sie gerade in der Hoch-Zeit ihrer Blüte ist, möchte ich Euch einige gerne zeigen.

Obwohl völlig unterschiedliche Gestaltungselemente im Garten vorhanden sind, gehen sie trotzdem stimmig und harmonisch ineinander über. Ich finde es total spannend durch einen Rosenbogen zu laufen und vor einem Hochbeet mit Gemüse zu stehen. Exquisit ist die Staudenauswahl und ich kann mich gar nicht satt sehen, denn ich entdecke laufend Neues.

Als Familie Stengel 1982 eingezogen ist, wurde erst einmal als Sichtschutz eine Koniferenwand gepflanzt. Unten dominierte ein großer Rasenbereich und oben, wo wir uns momentan befinden, gab es einen Gemüsegarten mit Obstbäumen zur Selbstversorgung. Aus einigen Buchsen wurde nach und nach mit dem jährlichen Rückschnitt eine schöne Einfassung für die Gemüsebeete gezogen. Leider sind inzwischen ca. 60 laufende Meter dem Pilz zum Opfer gefallen, ein Teil ist durch die Bergenie ‘Herbstblüte’ ersetzt worden. Schlimm war für Renate der Verlust von zwei Blautannen, die sie selber aus Samen gezogen hatte. Vielleicht war das auch der Startschuss für die vielen Veränderungen, die der Garten inzwischen, meiner Ansicht nach, sehr zu seinem Vorteil, durchlebt hat.

Geum ‘Scarlet Tempest’ – Rose Perennial Blue, Seidenpflanze Asclepias incarnata ‘ICE Ballet’, Kniphofia Royel Standard, Phlomis russeliana – Papaver rhoeas ‘Mother of Pearl’

Ohne großen Plan fing die Umgestaltung ab 2006 an. Der Besuch von “Offenen Gärten” und eine erste Garten-Reise gaben Inspirationen. Die lang ersehnte Einfriedung zur Straßenseite 2011 mit Zaun und Tor aus Schmiedeeisen, vom Hausherrn selbst gebaut, gaben die Impulse, weiter an der Verschönerung des Gartens zu arbeiten. Hier im oberen Bereich verkleinerte sich der Selbstversorger-Garten auf das Nötigste und die “Selbstversorgung der Seele” mit einem Blütenmeer rund ums Jahr und einer attraktiven Herbstfärbung stehen seitdem im Vordergrund.

Vom Bauerngarten oben zurück zum Eingang

Wir sind ja auf der rechten Seite den Hang hinaufgelaufen. Inzwischen haben wir den bunten Bauerngarten durchquert. Logisch dass wir nun, gegen den Uhrzeigersinn, auf der anderen Seite wieder nach unten gehen.

Diese Seite hat nicht nur abwechselnde Blühsträucher an der Grenze, hier gibt es auch eine interessante Mauer mit alter Holztür und einem kleinen rechteckigen “Sichtauge”. Sehr schön finde ich auch das Deko-Werk mit den farblich unterschiedlichen Weinflaschen! In diesem Haus wohnen Genießer, wie schön!

Während ich die letzten Stufen hinuntergehe, betrachte ich die grünen Halbschatten- und Schatten-Schätze im Peripheriebereich. Die eingenischte Terrasse übersehe ich geflissentlich, da sich hier schon eine deftige fränkische Brotzeit ankündigt. Immer wieder entdecke ich neue botanische Edelsteine in den Beeten, hier ist es Corydalis curviflora var. rosthornii ‘Blue Heron’, ein blauer Lerchensporn, der mir mit seiner unverwechselbaren Farbe entgegenleuchtet.

Im unteren Bereich, bis zum Beginn des Treppenaufgangs ist es auch auf der rechten Seite ganz romantisch und verspielt, so wie ich das anfangs auf der Teich-Seite, dort mehr durch die Art- und Farb-Wahl der Pflanzen-Arrangements, als durch entsprechende Accessoires, gesehen habe.

Ich muss noch eine Gemeinsamkeit mit Renate Stengel, neben unserem gleichen Vornamen, erwähnen. Beide pflegen wir von Garten-Reisen gerne Pflanzen mitzubringen, die uns an besondere Gärten, Gärtner*innnen, oder Gärtnereien erinnern. So ist Nassella tenuissima, das Federgras, oder Engelshaar, das ich immer wieder im Garten Stengel entdecke, von Renate aus dem Schaugarten Hermannshof in Weinheim mitgebracht worden. Ich selbst durfte mir von hier einen Ableger der panaschierten Schwertlilie mitnehmen.

Rose ‘Sweet Pretty’ – Farn und Allium – Rose ‘Lykkefund’

Ihr ahnt es vielleicht schon, wir stehen neben dem schmiedeeisernen Eingangstor und der Garten-Rundgang ist zu Ende. Aber keineswegs der heutige Beitrag.

Der neue Wiesengarten

Im Jahre 2017 bekamen Renate und ihr Mann einen Wiesenstreifen in Sichtweite ihres Anwesens auf der anderen Straßenseite angeboten. Natürlich war ich neugierig, was dort an Stauden und Gehölzen Einzug gehalten hat. Ich bin total platt von Renates Energie. Ihr Garten ist ja nun wahrlich nicht klein, aber nun noch weitere 440 qm! Sie erzählt mir, wie wichtig ihr der Gedanke ist, einen Stauden-Garten unmittelbar naturnah in die Landschaft einzubetten. Dabei war die Pflanzensuche auf den Wert für die Natur bestimmt und auf ihre Lieblings-Jahreszeit, den blattmalenden Herbst ausgerichtet. Da ich Euch schon so überreizt habe mit Infos und Fotos, gibt es jetzt lediglich noch einige textlose Bild-Impressionen von diesem neuen, externen Gartenteil.

Mit diesem Garten-Post werde ich meine letzte Garten-Vorstellung für 2022 beenden. Ich danke Euch für die vielen Tassen Kaffee und Tee, die Ihr in diesem Jahr mit mir in vielen neuen Gärten getrunken habt.

Natürlich hat auch Renate Stengel ein Video vorbereitet, klickt Euch bitte rein und macht den Ton laut, gute Wünsche zum Jahreswechsel kann man schließlich immer gebrauchen.

Herzlichen Dank sage ich auch hier, dass Christa Schroth und ich bei Euch zu Gast sein durften und Ihr, liebe Familie Stengel uns so maßlos verwöhnt habt. Da wir uns noch so gar nicht kannten, war das für mich ein wirklich überraschendes Gartenerlebnis.

PLZ 97528 Sulzdorf a.d.L., Karl-Hofmann-Str. 22, Garten Renate Stengel,

Besuchsanfragen: Restengel@web.de

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12 Kommentare

  • Sabine Pecoraro-Schneider sagt:

    Vielseitiger Garten der Familie Stengel, wunderbar! Danke für die gute Beschreibung, liebe Renate! Nun kann ich mir auch ein Bild machen. Stengels waren bereits zweimal bei uns und es wird Zeit, endlich ihren Garten kennenzulernen. Hoffentlich werde ich bald in der Lage sein, auch diese Höhen zu bewältigen!!

  • Jörg Diebel sagt:

    Liebe Renate, wieder ein toller Artikel, ich liebe es wie du schreibst. Bei pyrus salicifolia pendula handelt es sich um eine Birne Vielleicht besuchst du meinen Garten auch einmal.die beste Zeit ist im Mai und Juni, wie in den meisten Gärten. Schöne Weihnachts -und Winterzeit wünsche ich dir Gruß aus 36304 Alsfeld Hattendorf

  • Renate Stengel sagt:

    Liebe Renate, ich möchte Dir von Herzen danken. Du hast unseren Garten so wundervoll beschrieben und ich bin ganz berührt. Die Beschreibung ist Dir exzellent gelungen. Auch GG war voll des Lobes und wir freuen uns beide sehr, dass wir Dich kennenlernen durften.
    Wir wünschen Dir noch eine schöne Vorweihnachtszeit und ein gutes 2023 und freuen uns auf weitere, interessante Gartenvorstellungen hier auf Deiner Webseite.
    Liebe Grüße Renate und Erwin

    • Das Wurzerl sagt:

      Der Kommentar der betroffenen Gartenbesitzer ist für mich immer das wichtigste Feedback. Es freut mich sehr, dass Ihr Beide zufrieden seid und grüße herzlich zurück.

  • Birgit Clemens sagt:

    Traumhaft schön, bewundernswert

  • Christa Schroth sagt:

    Ein wundervoller Garten mit so vielen verschiedenen Facetten und Pflanzen, gekonnt gepflanzt und arrangiert , dazu die liebenswerten Gastgeber/Gärtner , die uns so freundlich aufnahmen. Ich freue mich auf den Gegenbesuch

  • Susanna sagt:

    Ein wunderschöner vielseitiger Garten, mit dessen “Schieflage” die Gärtner offensichtlich gekonnt umgehen. Hübsch und zurückhaltend dekoriert und mit Blattfarben und -formen für viele Monate attraktiv gestaltet, das gefällt mir sehr. (Bin ja ein Laub-Junkie …) Ich bin gespannt, wie sich die Bleiche Schwertlilie bei dir macht – sie ist ja etwas heikel …
    Ich wünsche dir einen schönen vierten Advent, liebe Grüße
    Susanna

    P.S.: Bei der Birnen-Kirsche hast du dich wohl versehen. Lösch diesen Satz gerne, bevor du den Kommentar freigibst.

    • Das Wurzerl sagt:

      Vielen Dank liebe Susanna, vor allem für Deine Aufmerksamkeit. Wenn man schon Kirschen und Birnen durcheinander schmeißt, dann ist man reif für die Blogpause. Die lege ich dann auch vom 2.Januar – 26. Januar ein. Ich wünsche Dir noch eine schöne restliche Adventszeit. LG Wurzerl

  • Was es da alles zu sehen gibt!
    Die Sempervivums in der Kuchenform gefällt mir und auch das Arrangement mit den Flaschen ist richtig klasse.
    VG
    Elke

  • Christa Topp sagt:

    Sehr eindrucksvoll beschrieben.Wünschte ich hätte so viel Energie wie Familie Stengel. Ich bewundere diese Gartenanlage. Danke für den interessanten Artikel.

  • Christa Schroth sagt:

    Oh diese herrliche Vorstellung von Renates Garten ist mir doch tatsächlich in der Weihnachtszeit nicht aufgefallen , dabei ist es ein so vielseitiger und spannender Garten. Dazu kommt die so herzliche Gastfreundschaft des Ehepaars Stengel . Auf verschiedenen Ebenen gab es so viel zu entdecken und zu staunen. Ich habe den Besuch sehr genossen

    • Das Wurzerl sagt:

      Nun ja, Weihnachten gibt es ja auch noch anderes als Gärten gucken. Da ist der schmuddelige, kalte Januar viel besser geeignet, lach. LG Wurzerl

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