Es ist schon Anfang November und gerade einmal einen Monat her, dass ich mit Christa in Ostfriesland unterwegs war. Als ich nun schon zum vierten Mal den LATÜT-Garten besuchte, bat ich Karin, mir doch erneut ein Video zu senden. Ich wollte meinen allerersten deutschen Garten, den ich auf meiner Website im Sommer 2020 vorgestellt hatte, nach einigen Veränderungen und Erweiterungen im Garten mit dem vorjährigen und diesjährigen Herbst-Aspekt, gerne erneut präsentieren.
Eigentlich hatte ich dieses Jahr einen Riesen-Fehler gemacht! Gleich zwei Garten-Reisen mit insgesamt 5000 km absolvierte ich innerhalb von drei Wochen. Es gab eine Menge zu sehen und irgendwann verschmolzen die Gärten in meinem Kopf zu einem einzigen großen Garten-Ereignis. Zu spät hatte ich es verstanden: erst eine Reise zuhause nachzugenießen, abzuspeichern, zu verarbeiten und erst danach an die nächste Fahrt zu denken. Aber irgendwie saß mir plötzlich Anfang September schon ein Hauch von Winter im Nacken und ich hoffte auf gutes Wetter.
Ich sitze im Wintergarten vor meiner schönen Tischlampe, von Karin gefertigt, die ich schon letztes Jahr im LATÜT-Laden gekauft hatte. Impulsiv suche ich noch weitere Gegenstände, die ich bei Karin in den letzten Jahren erstanden habe und drapiere sie um den Lampen-Fuß. Als ich das Licht anschalte passiert es. Die Blumen beginnen sich im nicht vorhandenen Wind zu wiegen. Die Falter fliegen von Blüte zu Blüte und die Libellen schwirren mir um die Nase. Ich bin angekommen – angekommen in LATÜT – und der Leichtigkeit des Seins!
Karin Berends-Lüürßen und der Herbst
Karin sitzt auf dem Bänkchen vor der Hauswand gegenüber dem LATÜT-Lädchen und lächelt mich an. Blau ist ihre Lieblingsfarbe – Meer? Himmel? Heimat?
Plötzlich sehe ich die Weite der ostfriesischen Landschaft mit dem LATÜT-Garten vor mir, dessen duftige, lockere Bepflanzungen und filigranen Abgrenzungen eine unbeschwerte, heitere Atmosphäre schaffen, in die man einfach eintauchen und jede urbane Enge vergessen kann.
Am Eingang und ” Unter den Eichen “
Die alten Eichen bilden das Gerüst des Grundstück-Kerns. Sie begleiten den Besucher vom Eingangsbereich bis zur Terrassenseite des Hauses, wo sie Raum und Schatten für einen großartigen “Visiten”-Garten bilden.
Klugerweise sind in den Randbereichen dieses Gehölz-Areals auch alle Neben-Gebäude angesiedelt, wie auf dem Foto oben das Gänseheim, so dass der Blick innerhalb der Gartenräume nicht eingeengt wird. Aber auch schon “Unter den Eichen” sind erste filigrane Vistas in den Garten möglich.
Ab und an findet sich an der Hausfassade, oder den Nebengebäuden auch Kunst von Karin in großzügigen Ausmaßen. Ich liebe dieses Aufleuchten an Stellen, wo man nicht damit rechnet und laufe beschwingt auf den einzigen Gartenteil direkt am Haus zu, in dem die Zeit tatsächlich stehen geblieben zu sein scheint.
Omas Blumengarten
Ich meine den traditionellen, alten Garten, der sich über 2 Hausseiten hinzieht.
Hier ist jedenfalls alles beim Alten geblieben, einschließlich dem breiten Maiglöckchen-Streifen, den Oma direkt an der Hauswand gepflanzt hat.
Am Ende der Sichtachse steht unerschütterlich die Stein-Stele mit dem eingemeißelten Charakterkopf eines Wissenden. Stockrosen- Cosmeen- und Sedum-Blüten umschmeicheln mich mit ihren rosa Farbtönen und schicken mich unmittelbar weiter in den Romantischen Garten.
Im Romantischen Garten
Der Romantische Garten ist neben Omas Blumengarten das zweite Refugium, das eine gewisse Abgeschlossenheit bildet und von klaren Abgrenzungen eingerahmt ist. Karin wollte damit einen weiteren Raum für Halbschatten-Stauden gewinnen, gleichzeitig Vogelschutzhecken schaffen und den Blick in die unendliche Weite Ostfrieslands noch ein wenig zurückhalten.
Kaum ist man eingetreten, fühlt man sich völlig geborgen. In diesem Bereich ist auch das Vasenreich integriert, so ist hier genau der richtige Platz, um die intime Geschlossenheit noch aufrecht zu erhalten.
Umso stärker ist dann der Wumm-Effekt, wenn sich der Garten und die Landschaft plötzlich total öffnen und man unwillkürlich am Horizont nach dem Meer zu suchen beginnt. Aber momentan bin ich noch hier und schätze diesen Gartenbereich mit der selbstgebauten Dreispänner-Bank, in die ich richtig verliebt bin.
Dieser Gartenteil könnte überall sein, wo der Mensch Respekt vor der Natur zeigt. Es gibt keine Pflaster, Kies-Aufschüttungen, oder scharfe Beet-Kanten. Der Wiesen-Weg darf gerade nach Tagen der Offenen Gartentür seine erdigen Narben zeigen. Blüten, die sich nicht gegenseitig die Schau stehlen sondern sich einladend den Bienen und Schmetterlingen zuneigen und gegenseitig anlächeln, das ist die gewollte Stauden-Planung! Ruhe und Harmonie sind hier zu spüren. Der kleine Frosch-Teich im Eck ist verwunschen, fast zugewachsen. Wo ist der Prinz, oder muss ich doch zuerst den Frosch küssen?
Ich möchte wie jedes Mal hier Platz nehmen. Vielleicht sollte ich einfach die Persicaria microcephala ‘Red Dragon’ (Knöterich) bitten, mir ein wenig Raum auf ihrer blauen Recamiere einzuräumen. Aber wer legt sich schon freiwillig mit einem ‘Roten Drachen’ an? Ok, ich gehe schon weiter, Ihr habt ja auch nicht unendlich Zeit, in diesem romantischen Kleinod zu bleiben.
Im Rosengarten
Ich verlasse die Geborgenheit des grünen Heckenbogens und trete ein in den schon sehr herbstlichen Rosengarten. Zwar blitzen hin und wieder Büschel mit Rosenblüten auf, aber es ist auch in diesem Gartenteil jetzt die Zeit der Herbststauden angebrochen. Endlich dürfen sie sich aus der dienenden Rolle von den Rosen lösen. Jetzt ist ihre Zeit gekommen. Ich spüre es und sehe, wie sich Aster, Rudbeckia, Solidago, Helianthus und Agastache neugierig in den Rasen-Weg neigen, um keinen Besucher zu verpassen. Sanft wie der Herbst sind die Farben, Annuelle wie Verbenen und lockere Gräser wirken genauso wie Weichzeichner in den Beeten, wie die Kulisse der Beeren und sich verfärbenden Blätter, die aus dem dahinterliegenden Sonnengarten grüßen.
Sehr gut erinnere ich mich an das Blüten-Festival vom Sommer, das die Rosen hier dominiert haben und zusammen mit den Stauden und Annuellen wie Rudbeckia hirta um die Gunst der Betrachter geworben haben. Es war eigentlich fast zu viel, was da auf mich an pulsierendem Leben eingestürmt ist. Jetzt hat der Rosengarten einen Gang zurückgeschaltet. Es steht ihm gut, die Morbidität ist ein wichtiges Detail der Leichtigkeit von LATÜT.
Natürlich beteiligen sich die remontierten, späten Rosenblüten auch an den kleinen Dominanz-Rangeleien im Garten. Das ist kein Wunder, sobald sich zwei Blüten mit der gleichen orangenen Farbe, wie die Rose ‘Fellowship’ und die Dahlie ‘Sylvia’ um die Führungsposition im Beet streiten.
Wie gut, dass Karin auch im Rosengarten so viele schöne, lockere hohe Stauden wie Astern und Gräser integriert hat. Sie sind so wunderbar imstande, nicht nur auffällige Farben einzuharmonisieren, nein, sie gehören zu den Weichzeichnern in LATÜT, die für die Leichtigkeit zuständig sind.
Damit die Harmonie nicht langweilig wird, blühen jetzt die Goldrauten (Solidago Hybriden) und Staudensonnenblumen (Helianthus decapetalus ‘Soleil d’Or’). Auch diese gelben Strahler lieben die Gesellschaft der Astern sehr.
Ja – und ich liebe Eure Gesellschaft sehr, liebe Freund/innen von Wurzerlsgarten. Aber gerade merke ich, dass ich nach dem halben Garten hier dringend eine Pause machen muss, bevor ich mit Euch den Garten-Spaziergang in LATÜT vollende. Also holen wir erst einmal tief Luft, bevor ich Euch am nächsten Freitag, den 12.11.21, den abschließenden Teil “LATÜT und die Leichtigkeit im Herbst II” vorstelle.
Vielleicht habt Ihr ja Lust, noch ein wenig Überflieger zu spielen? Dann klickt Euch doch gerne in das folgende Video ein, das sich Karin von einem Drohnenbesitzer hat filmen lassen. Genießt die Leichtigkeit, die nichts so gut vermitteln kann, wie Luftbilder.
PLZ 26817 Rhauderfehn, Bargkamp 35, 2500 qm, “LATÜT”-Garten + “LATÜT” Kunstladen, Kontakt: Karin Berends-Lüürßen E-Mail: latuet@freenet.de Website: www.latüt.de
8 Kommentare
Hallo liebe Renate, ganz herzlichen Dank, dass Du uns wieder mitgenommen hast in diesen wunderbaren Garten, eingebettet in die Weite der Landschaft. Was hast Du doch für Glück, solche Kleinode zu kennen und zu besuchen.
Aber Dank Deiner herrlichen Reiseberichte und Fotos lässt Du uns wunderbar daran teilhaben.
Freu mich schon seeehr auf Teil II.
Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende
bis kommenden Freitag
Renate
Liebe Renate, wenn Du magst gerne auch schon wieder Dienstags. Jetzt ist die Zeit, wo langsam wieder die Gartenbücher aus dem Regal genommen werden. Darum gibt es die beiden nächsten Monate, vielleicht auch länger immer wieder eine Buchrezension zu lesen.
Damit Euch das Vorstellen alter und neuer Bücher nicht langweilig wird, gibt es natürlich an den Freitagen neue Gärten, neue Pflanzen und andere neue Ideen zu lesen. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende. LG Wurzerl
Liebe Renate
Ich bin ganz verzaubert über deinen Gartenspaziergang in meinem Latütgarten. Du hast die Gabe mich meinen Garten durch deine Augen sehen zulassen … Und es passiert etwas Besonderes..du beschreibst und ich erlebe meinen eigenen Garten in einer Intensität für die ich Dir so dankbar bin… Der Vergleich meiner Malerei und dem Garten zeigen mir wie authentisch ich Beides betreibe… Es ist so wichtig von Aussen Impulse zu bekommen.. Es treibt mich an weiter meinen eigenen Weg zu gehen.. DANKE
Oh, wie schön liebe Karin, das freut mich riesig. Ich glaube, ein schöneres Kompliment kann ein Blogger doch gar nicht bekommen. Na, dann gehen wir doch Beide beschwingt in das Wochenende. LG Wurzerl
Liebe Renate,
vielen Dank für diese Reise nach Ostfriesland. Ein ganz wunderschöner, vielseitiger Garten! An einem Punkt habe ich mir beim Lesen gewünscht, den Garten im Ganzen sehen zu können: und voila! prompt wird ein Video von oben geliefert. War das Gedankenübertragung im Voraus? Ich wünsche dir ein schönes restliches Wochenende,
liebe Grüße,
Susanna
Lach, liebe Susanna, LATÜT weiß, was Gartenfreund/innen wünschen. Es war Karins Idee, dieses Video zu zeigen. Das spezielle für Wurzerls Seite gibt es in Teil II in einer Woche zu sehen. Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag Abend. LG Wurzerl
Liebe Renate, Du hast einmal mehr unter Beweis gestellt, dass Du mit Deinen Fotografien und Texten jeden mit auf Deine Gartenspaziergänge nimmst! Und dieser zauberhafte weitläufige Garten hat einfach eine besondere Faszination!
Ach ich muss sofort wieder hin