Herbst in einem naturnah angelegten Waldgarten ist etwas wunderbares. Wenn das Refugium etwa 3500 qm misst und sich daneben ein gleich großes Areal Natur pur völlig sich selbst überlassen befindet, dann ist es einfach nur reiner Balsam für die Seele.
Christiane Hame lebt in so einem Gartenschatz und sie ist auch insofern ihr eigener Nachbar, da sie selbst die zweite Gartenhälfte mit täglichem Gewinn an Freude kostenlos an die Natur vermietet hat.
Gerne teilt Christiane ihre täglichen kleinen Garten-Erlebnisse mit Besuchern. Als ich sie Ende Oktober 21 besuche, steht die Nachmittags-Sonne schon so weit unten am Horizont, dass der Garten in ein sanftes, weich gezeichnetes Licht getaucht ist.
Einige Gartenteile sind schon in den abendlichen Schatten eingehüllt. Dazwischen sucht sich die Sonne immer wieder herbstlich lichter gewordene Baumkronen. Diese überschüttet sie wie im Märchen von Frau Holle mit Gold, bevor ihren Strahlen in der Wiese oder in den Insel-Beeten landen. Dann leuchten auch die letzten Rosenblüten, Samenstände von Gräsern und anderen Stauden golden auf oder imitieren das herbstliche Abendrot mit ihren Purpur- oder Karmesin-Tönen im Laub.
Direkt farbig lebhaft aber sind die sonnigen Bereiche um das Haus, vor dem die hohen Bäume zurückweichen. Vom Sitzplatz der hinteren Terrasse aus sehe ich ein großes blühendes Nest von Cyclamen hederifolium, dem Zwerg-Alpenveilchen, das sich unter der aufgeasteten Kiefer ausbreitet. Direkt neben mir strahlt eine orangerotgelbe Chrysantheme den grauen Stein an, dessen weiße Flechten dadurch gleich noch stärker hervortreten.
Die Sonnenflecken locken mich nach hinten. Das Grundstück hat Tradition und gehörte schon Christianes Großeltern. Ursprünglich war die Fläche ein großes Kieswerk, mit Omas Häuschen davor. Vom Baumbestand, der damals gepflanzt wurde, ist noch einiges an Linden und Pappeln da. Diese alten Gehölze sind für einen Waldgarten ein absoluter Schatz. Wird bei Pflegearbeiten etwas Schnittgut fällig, so findet Christiane für das meiste gleich Verwendung im eigenen Garten. Gerade vor dem Winter legt sie Unterschlupf-Möglichkeiten für allerlei Getier mit Zweigen und Laub an. Entweder am Zaun, oder Gehölzrand, aber auch mitten in der Wiese finde ich Haufen aus Ästen aufgeschichtet. Dazwischen ist all das Laub ausgebracht, das nicht als Mulch an den Gehölzrändern oder Beeten gebraucht wird.
Mit solchen Maßnahmen braucht Christiane weder Kunstdünger noch Gift und Chemiekeule im Garten. Viele einheimische Gehölze, darunter verschiedenste Beerensträucher und einfache offene Blüten bei Stauden und Rosen, dazu verschiedene Habitate wie Obstgarten, Steingarten, Kiesgarten, Baumgruppen, Hecken und Blumen-Wiesen und -Beete und vieles mehr haben Christiane zu Recht die Ernennung mit Plakette und Urkunde zum “Naturzertifizierten Garten in Bayern” eingebracht.
Fagus sylvatica f. purpurea, Blutbuchen-Hecke – Hydrangea ‘Annabelle’ – Lysimachia clethroides, Schneefelberich
Hinter einem Gehölzsaum mit einer Blutbuchen-Hecke kommt ein längliches offenes Wiesen-Areal zum Vorschein, welches sich quer durch den kompletten Garten zieht. Es wirkt auf mich fast wie eine Waldschneise. Hier hat die Sonnenschräge direkt das goldgelbe Sonnenbeet im Visier. In diesem Gartenteil hat Christiane zwar Beete und niedrige Sträucher eingefügt, jedoch sind die vorhandenen Gehölze alle nach kleinem Gesamt-Habitus ausgewählt worden, um den Wiesen-Charakter dieses Streifens optisch nicht zu zerschneiden. Bevor ich durch den Bogen hindurchgehe, um mir diesen Gartenteil genauer anzusehen, mache ich noch einen Haken zum Eingangsbereich, wo Christiane mir ihre letzte Tomaten-Ernte von diesem Morgen zeigt.
Dann gehe ich zurück zum Bogen und sehe beim Durchschreiten direkt das Windspiel im Zentrum des orangegelben Sonnenbeetes in Rondell-Form. Ende Oktober ist die Farbe gelb nicht mehr dominant vertreten. Die Samenstände von Gräsern und anderen Stauden, wie Phlomis russeliana, dem Brandkraut, zeigen inzwischen vermehrt melancholische Beige- und Braun-Töne.
Dazwischen gibt es aber noch kleine, späte Sonnenanbeter zu finden wie die Blüten von Geum oder Calendula. Während sich erstere jedoch mit Samenständen umgeben, ist Heterotheca camporum var. glandulissima, die Goldaster, jetzt erst auf ihrem Blüh-Höhepunkt angelangt.
Neben dem zentralen großen Kreis-Mixed-Border sind noch weitere Pflanz-Inseln in verschiedenen Größen und Formen-Varianten in die Wiese eingestreut. Je nach Lichteinfall schmiegt sich eine Beet-Partie an den Gehölzrand an und wirkt wie sanft in die Umgebung eingebettet, oder wirft, wie die Bistorta affinis ‘Kabouter’, ein Bodendecker-Knöterich, eine “rotgoldene Decke” voller Eleganz über einen Beet-Teil.
Je ruhiger und meditativer die Wirkung des Waldgartens ist, umso schärfer achten meine Sinne auf die kleinsten Details. So weiß die Rose ‘Winchester Cathedral’ ganz genau, wie magisch geheimnisvoll die Herbstsonne ihre Blüten durchschimmert und hebt sich immer ein paar Knospen für den Oktober auf. Die Zeller Haselnuss, Corylus avellana ‘Zellernuss’ hat jetzt bereits ihre Anlagen für die frühe Blüte im Spätwinter vorbereitet und die Miscanthus-Ähren strecken sich triumphierend in das späte Nachmittagslicht.
Das vitale Blutgras, Imperata cylindrica, unterstützt die morbide Schönheit der vergehenden Hortensienblüten. Dann fällt mein Blick wieder durch den Gehölzgürtel ganz nach vorne, wo von der dominanten Wucht der hohen Birke nur noch ein Goldflirren der sich langsam verabschiedenden Blätter zu sehen ist. Auf der anderen Seite locken mich die weinroten Hüllen des Pfaffenhütchens, Euonymus europaeus, an, die langsam für die Vogelschar ihre orangenen Samen freigeben.
Die Rosen im Natur-Waldgarten besitzen nicht die größten Blüten oder den stärksten Duft, aber sie sind, meist schalenblütig oder nur halbgefüllt wie die Rosa ‘Fairy’, für die Insektenwelt sehr attraktiv. Cimicifuga simplex ‘White Pearl’, die Silberkerze, wirbt mit ihrem Duft für die Spätzünder unter den Rosen und Hortensien in der Nähe gleich mit.
Ich bin ich sehr beeindruckt über die vielfältige, für den Menschen schöne und die Tierwelt nützliche Pflanzen-Gesellschaft, die Christiane Hame in ihrem Garten vereint hat. Da sie den ursprünglichen grünen Gürtel vor dem Kieswerk schon seit ihrer Kindheit kennt und sie praktisch mit den Bäumen zusammen “groß” geworden ist, war dieser Garten für sie schon immer mehr als nur das Einrahmen eines Wohnhauses mit einer gefälligen grünen Umgebung. Mit einem sehr sensiblen Händchen unterstützt sie vorhandenes und pflanzt natürlich passendes dazu. An einem Baumstamm finde ich ein Schild: “Ich weiß, Du hast recht – aber meine Meinung gefällt mir besser!” Liebe Christiane, dazu kann ich nur sagen, weiche nie von Deiner Meinung ab, sie gefällt auch mir sehr gut. Und bewahre Dir bitte Deinen “valentinesken” feinen Humor.
Harmonisch und natürlich ist es hier fast auf jedem Quadratmeter. Entsprechend behutsam geht Christiane ihre Änderungen oder Neuplanungen an. So hat sie beschlossen, dass ihre Bergmolche endlich einen “Plansch-Pool” brauchen. Wo der kleine, feine Teich hinkommt und dass eine kleine Bachzirkulation als Sauerstoff-Spender mit dazu geplant wird, das steht schon fest. Aber, in der Ruhe liegt die Kraft, nächstes Jahr ist auch noch Zeit, tätig zu werden.
Bergenia ‘Eroica’ – Nassella tenuissima ‘Ponytail’ und Sedum Telephium ‘Herbstfreude’ – Rosa ‘Mozart’
Inzwischen habe ich den großen hinteren Bereich verlassen und bin durch den kleinen Gehölzgürtel und das Holztor hindurch, auf der rechten Gartenseite parallel zur Hausseite, angekommen. Vorne auf der Straßenseite existiert schon länger ein Steingarten, der sich von der Einfahrt bis zum Zaun quer hindurchzieht. Mit diesem Kniff hat Christiane elegant und glaubwürdig circa einen halben Meter Gefälle von der Straße zur Hausebene abgefangen. Um dieses Bild noch stimmiger zu machen, gibt es seit kurzem auf der Seite, wo ich mich gerade befinde, ein Kiesbeet.
Das Kiesbeet und der Steingarten sind im Waldgarten Hame wohl am längsten von der Sonne verwöhnt. Die Pflanzen sind perfekt für diese besonderen Habitate ausgewählt und man sieht, zum Beispiel an der Vitalität der attraktiven Rosette von Saxifraga longifolia, dass sich Stauden und Halbsträucher in diesen Bereichen wohlfühlen.
Der Steingarten endet an einem letzten schmalen Gehölz-Streifen am Zaun zur Straße hin. Am linken Ende hat Christiane Sträucher und hohe Gräser ein paar Meter die Einfahrt entlang hineingeleitet, so dass ein schöner natürlicher Abschluss dieses Gartenteils vorhanden ist. Der schmale Streifen gegenüber der Einfahrt ist der “Vitamin-Garten” Christianes. Im Oktober ist hier natürlich abgeerntet, aber einige Gemüse-Strünke sind noch im Beet. Eine hohe Königskerze reckt noch ihren stolzen Samen-Kandelaber in den Oktoberhimmel und vor der Berberitze finde ich eines von wenigen aber hübschen Dekorationsteilen.
Als ich einen letzten Blick durch den Garten schweifen lasse, die Sonne mir am Tiefststand ein letztes Mal zuwinkt, da fällt mir ein wie Christiane vor kurzem noch davon geschwärmt hat, wie schön es ist, dass es hier keine Straßenbeleuchtung und damit keinen Lichtsmog gibt – so kann man an klaren Abenden noch den puren, erhabenen Sternenhimmel betrachten.
Liebe Christiane, ich finde Dein kleines, feines Video passt wunderbar zu der Art und Weise, wie man in Deinem Garten auch als Gast entschleunigen kann. Ich danke Dir ganz herzlich für Deine Gastfreundschaft und klicke mich jetzt wieder in Dein Video, um Dir noch einmal zuzuhören.
PLZ 85221 Dachau, Kufsteiner Str. 21, 3500 qm, GdS, “Artenreicher Naturgarten mit vielen Gehölzen und Stauden, Waldgarten, Steingarten, Kiesgarten, Sandbeet und einem ungenutzten Geschenk an die Natur”, Naturgarten Christiane Hame, Kontakt: Christiane Hame Email: Christiane.hame@gmail.com
13 Kommentare
Liebe Renate welch ein wunderschönen Garten du da gefunden hast, Traumhaft. Gerade in dieser Zeit träume ich schon lange davon einen gestalteten Waldgarten zu sehen. Danke für deinen faszinierten und faszinierenden Einblick von Christiane s Garten.
Liebe Erna, vielen lieben Dank, ja, ich weiß, Du experimentierst gerne mit Gärten, weil Du weißt, dass viele Menschen ein Stück Garten ihr eigen nennen wollen, das unverwechselbar mit ihrem Ego verknüpft ist. Aber ich kenne auch die ganz gegenteiligen Ecken in Deinem Schaugarten, denen man anmerkt, dass Du völlig uneitel der Meinung bist, ein guter Blick für die erhabenen Momente der Natur würde auch schon für die Gartengestaltung reichen. Ich wünsche Dir einen gesegneten 3. Advent. LG Wurzerl
Herrliche Beschreibung eines wunderschönen, paradiesischen Gartens!!
Liebe Sabine, danke dass Du das Wort paradiesisch verwendet hast – dafür braucht man weder eine Anhäufung von Prachtstauden, noch eine Menge Schmuckelemente. Ich sehe das genauso, wenn es mir gelungen ist, das zu zeigen, freue ich mich. Ich wünsche Euch einen schönen 3. Advent. LG Wurzerl
Liebe Renate, ich fühle mich soooo gebauchpinselt. Lieben Dank für deine wunderschöne Vorstellung meines Gartens. Ich freue mich jedes Mal auf deinen Besuch.
Liebe Christiane, ich komme ebenfalls sehr gerne zu Dir und ich hoffe auch, dass wir 2022 einen Gegenbesuch bei mir schaffen. Vielleicht machen wir, wenn es die Corona-Zahlen zulassen ein kleines Traumgärtner-Treffen bei mir? Danke, dass ich Deinen Garten auf meiner Website vorstellen durfte und wir haben ja noch weitere Pläne, wenn es im Januar, Februar weiß und günstig ist, melde Dich bitte bei mir. Ich wünsche Dir einen schönen 3. Advent.
LG Wurzerl
Liebe Renate,
Ich finde Waldgärten so schön, weil es hier so ein besonderes Spiel von Licht und Schatten gibt. Und dieser Garten ist noch einmal besonders, weil er vorher als Kiesgrube ein eher unwirtlicher Platz war. – Eine richtige Aufgabe, hier einen Garten anzulegen! Toll, dass die Auszeichnung hier vergeben wurde.
Ein traumhafter Garten und eine sympathische Gärtnerin!
Ich wünsche dir ein schönes Adventswochenende, liebe Grüße,
Susanna
Danke liebe Susanna, jepp, ich liebe Waldgärten und diesen besonders aus den gleichen Gründen wie Du. Auch Dir ein schönes Adventswochenende. LG Wurzerl
Schön,daß ich Christianes Garten sehen durfte.Ich träume immer noch von einem so großen Garten,wo ich auch die Hälfte in einen Naturgarten gestalten würde.Leider werde ich ja auch nicht jünger und kann gerade mal mit meinem Mann unsere 1350 qm bearbeiten und pflegen.Christiane,du bist zu beneiden,denn der Garten ist einmalig schön.Und wunderbar,daß wir uns bald persönlich kennenlernen werden.LG Hedwig
Ja, liebe Hedwig, die Ostfriesen- Oberbayern-Achse klappt doch hervorragend! Also ich finde das ganz toll, dass da schon so einige wunderbare Gartenfreundschaften zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Landschaften entstanden sind. Nur mit dem Sport, da halten wir uns besser zurück und bewundern lieber unsere Gärten, denn beim Boßeln oder Fingerhakeln würden sich dann irgendwann die Geister scheiden. Ich wünsche Dir ein schönes 3. Adventwochenende. LG Wurzerl
Ha! Man kann also doch dicke Nadelbäume unterpflanzen! Schön, sowas mal zu sehen!
Überhaupt ein toller Garten.
VG
Elke
Liebe Elke, schau doch mal in meinen Post: https://www.wurzerlsgarten.de/arbeiten/schatten-und-trockenheitsvertraegliche-pflanzen/ da findest Du eine ganze Auflistung von Pflanzen, die auch vor Fichten-Baumscheiben nicht zurückweichen. Wünsche Dir einen schönen Abend. LG Wurzerl
Oh ich durfte diesen spannenden Garten auch schon sehen. Einfach wunderbar vielfältig