Besuch in Sheffield Park & Garden, Grafschaft East-Sussex am 28.08.2018
Bevor ich mich mit diesem exzellenten Park beschäftige und mich etwas intensiver mit “Capability” Brown und seinem “Landschaftsgarten-Stil” auseinandersetze, möchte ich für Garten-Reisende nach England eine Empfehlung aussprechen. Sheffield ist ein wunderbarer Ort der Ruhe und Entspannung. Die Schönheit und Erhabenheit dieser Anlage ist Balsam für die Seele.
Nach einem Besuch in Great Dixter, oder Nymans Garden, wo sich ein spannender Moment an den anderen reiht, wäre ich schlicht nicht in der Lage noch einen zweiten ähnlichen Garten am gleichen Tag zu besuchen und weitere Eindrücke mit dieser Geschwindigkeit in mich aufzunehmen. Darum war ich auch herzlich froh, dass nach einem spannenden Vormittags-Garten, nämlich Clinton Lodge, von Gerlinde und Jürgen Halwax am Nachmittag dann ein Besuch im Sheffield Park und Garden geplant worden war. Genau das möchte ich Einzelreisenden für ihre Garten-Tour dringend ans Herz legen. Genau solche Landschaftsparks wie Sheffield helfen, wieder etwas herunterzukommen, die Seele baumeln zu lassen und Lust auf weitere spannende Momente am nächsten Tag zu bekommen.
Die Höhepunkte von Sheffield wollen erwandert werden. Beglückend sind immer neue Panorama-Blicke. Findet man einen uralten Baumriesen, so möchte man die Umarmung mit seinem Stamm, den man gar nicht ganz umfassen kann, nie wieder lösen.
Es ist unmöglich bei einem einzigen Besuch alles in diesem Park zu sehen. Bei 80 ha Gesamtgröße ist es sinnvoll sich erst einmal die Karte am Eingang vorzunehmen und sich den Gelände-Plan in Ruhe anzusehen.
Ich entscheide mich schnell für eine große “Acht” rund um die vier Seen im Park. Den Ost-Park und den Wald-Garten dürfte ich zur Zeit der hunderttausend ‘Blue Bells’ im Frühling nicht übersehen. Auch wären da Abstecher in ruhigere Randbereiche wichtig, um nicht von der Blütenpracht der Rhodendendren erschlagen zu werden, die zu Hunderten an den See-Ufern stehen und ihre Farben in das Wasser werfen. Dieses Spektakel sollte man tatsächlich ausgeruht genießen, denn der Wasserspiegel verdoppelt ja die Buntheit noch.
Ich betrete den Garten und nachdem ich den Eingangsbereich mit dem unvermeidlichen NT-Andenken-Shop und einer kleinen, feinen Nursery passiert habe, bin ich im ersten oberen Arboretum-Teil von Sheffield angekommen. Das Alter einiger Bäume gleicht dem Methusalems und so finden sich nicht nur enorme Durchmesser bei den Baumstämmen, es gibt auch schon einige, die es nicht in das 21. Jhdt. geschafft haben. Typisch englisch: dieser ehrwürdige Baumstamm darf in aller Ruhe noch stehenbleiben und für eine unvorstellbare Zahl von Kleinstlebewesen weiter die Lebensgrundlage bleiben, so lange es möglich ist. Im gründlichen Deutschland ist so ein Anblick leider auch heute noch eher selten zu finden. Der Acer palmatum ‘Atropurpureum’ hat schon etwas herbstliches Rouge aufgelegt und der mächtige alte Stamm des Rhododendron ‘Angelo’ schaut mir mit seinem erstaunten Gesichtsausdruck noch lange nach.
Ursprünglich gehörte der Park zu diesem angrenzenden Sheffield Park House (es ist noch immer in Privatbesitz), das wie eine Filmkulisse vor mir liegt. Dieses Landhaus wurde in den späten 1700er Jahren von James Wyatt im gotischen Stil umgebaut. Zeitgleich wurde Lancelot Brown damit beauftragt, den Garten passend dazu zu gestalten.
So erhielt Sheffield Park and Garden im 18. Jh. seine jetzige Grundform als informeller Landschaftspark. Arthur Gilstrap Soames (von 1909 bis zu seinem Tod 1934 Eigentümer des Sheffield Parks), entwickelte ihn im frühen 20. Jh. mit großzügigen Anpflanzungen weiter zu seinem heutigen Aussehen. Als ich auf die Weg-Biegung zuschreite, denke ich mir: “dies ist das erste Mal, dass mir Pampasgras (Cortaderia selloana) in einem Park gefällt. Für meinen Geschmack passt es kaum zu irgendeinem Gartenstil und in kleinen Gärten ist es für mich sowieso zu künstlich und no go”.
Viele Gehölze im Arboretum von Sheffield erzählen richtige Geschichten. So der folgende Baum, eine Nyssa sylvatica ‘Sheffield Park’. John Baker Holroyd, seines Zeichens Baron von Sheffield, liebte die Herbstfärbung der “Black Tupelos” so sehr, dass er viele Exemplare von Nyssa sylvatica im Park pflanzen ließ. Nyssa sylvatica ‘Sheffield Park’ ist eine Auslese, die hier entstanden ist.
Nachdem ich eine riesige Gunnera passiert habe öffnet sich auf der rechten Weg-Seite der Blick auf eine neue Wasserfläche. ‘Ten Foot Pond’ ist der Name dieses Sees, der mit tausenden Seerosen-Blüten beperlt zu sein scheint.
Während es mich automatisch zum Wasser zieht, denke ich an Lancelot Brown (1716 – 1783) den Landschaftsarchitekten, der hier für die Gartengestaltung hauptsächlich im Seen-Bereich zuständig war. Über 170 Gartenprojekte betreute er und versuchte allen seinen Stempel aufzudrücken. Er suchte immer nach “Möglichkeiten” (Capabilities), Parks und Gärten den ihm eigenen Stil des neuen englischen Landschaftsgartens aufzudrücken. So wurde aus Lancelot bald “Capability” Brown.
Brown schaffte Verbindungen und fasste die ursprünglichen vier Seen zusammen. Seitdem bilden sie das Herzstück des Gartens. Dabei war es Capability immer wichtig, weitflächig zu gestalten und großes Theater mit Sicht-Achsen zu schaffen.
Als Vorreiter des Landschaftsbaus entwickelte er sich schnell vom bisher üblichen reinen Schlosspark-Architekten zum großzügig und großflächig planenden Landschafts-Gestalter. Das Ufer rund um den Seen-Verbund ist wirklich abwechslungsreich, aber trotzdem natürlich gestaltet. Licht- und Wasserspiegelungen werden geschickt eingesetzt.
Brown wurde im Nu einer der bedeutendsten Landschaftsarchitekten des 18. Jahrhunderts. Etwas entscheidendes hatte er von William Kent gelernt: ‘clumps and dots’. Bei der Technik ‘dots’ pflanzt man auf weitläufigem Gelände einzelne mächtig werdende Solitär-Bäume. Die ‘clumps’ dagegen sind Baumgruppen, die zusammen mit den Solitären einen natürlichen aber malerischen Eindruck vermitteln. Sie stehen wie Inseln im Rasen-Meer. Einige beeindruckende Großbäume sind Pinus montezumae, Juniperus recurva und Quercus robur, die Stiel-Eiche. Wichtig für den optischen Moment sind dabei auch die großen Rasenflächen. Viehherden hatten diese früher niedrig zu halten, dafür nutzte Capability Brown ausgiebig die Ha-Ha’s. Diese Graben-Konstruktionen, sollten die Tiere vom unmittelbaren Bereich des Landgutes unauffällig fernhalten, ohne die Sicht in die Landschaft einzuschränken.
Bei dem Stichwort Viehherden fällt mir folgendes ein. Der Name Sheffield tauchte schon im ‘Domesday Book’ auf und bedeutet “Lichtung für die Schafe”. Dieser Name ist sehr alt, denn bereits Mitte des 15. Jhs. war aus dieser ursprünglichen Schafweide ein Hirschpark (aufgeforstetes Jagdgebiet) geworden. Beim Landschaftsarchitekten Brown schloss sich jedoch dieser Kreislauf wieder zurück zur alten Bestimmung.
Auf dem Weg zum hintersten See schwenke ich vom Ufer-Bereich weg wieder in das nächste Arboretum. Dabei streife ich den Bereich des ‘Walk Wood’. Zum wiederholten Male fällt mir ein, wie angenehm es doch zur Abwechslung ist, durch ein natürliches Gelände zu streifen, ohne die pittoresken Zutaten von: Ruinen, Kapellen, künstlichen Steinhaufen mit noch künstlicher wirkenden Wasserfällen, oder Höhlen und armselige Hütten, wo man früher darauf gefasst sein musste, dass ein jahrelang unrasierter, ungewaschener Eremit heraustrat, dessen einzige Aufgabe es war, für den Park-Besitzer zu beten und sich den Besuchern zu zeigen. Wie schmückend dagegen die spärlichen Holzbänke und Brücken, die wunderbar in diesen Park passen.
Ich kehre zurück an das Ufer, inzwischen bin ich am Ende des “Middle Lake” angekommen. Dort sieht man auch wirklich deutlich, dass der Herbst nicht mehr lange auf sich warten läßt.
Irgendwie möchte die Stockente ihr Paradies nicht mit mir teilen. Also wende ich mich noch einmal dem Landschafts-Architekten Brown zu. Noch bekannter als mit Sheffield-Park wurde er mit der Anlage der Gärten und Parks von: “Blenheim Palace”, “Bowood House” “Broadlands”, “Charlecote Park”, “Chatsworth House”, “Croome Court”, “Highclere Castle”, “Syon House”, “Stowe” und “Kew Gardens”. In Deutschland hinterließ er seine Spuren in Braunschweig, im Park von Schloss Richmond.
Unterschlagen möchte ich nicht, dass Capability seinerzeit nicht nur Beifall für seine Gartenkunst fand. Jedenfalls bemerkte der englische Satiriker Richard Owen Cambridge, “dass er doch sehr hoffe, vor Brown zu sterben, damit er den Himmel noch vor seiner Umgestaltung sehen könne”!
Die Seerose lächelt unschuldig in den Himmel und ist nicht wirklich bekümmert über solche spitzen Bemerkungen. Ich denke, nun ist es auch gut, lassen wir Capability Brown nach seinen “Möglichkeiten” im Himmel ruhen, mögen allein die Fotos für ihn sprechen.
Ich bin im hinteren Bereich angekommen, es gibt leider wieder keine Zeit in den East Park hineinzugehen, geschweige denn in den South Park, der fast die Hälfte des Gesamtgeländes ausmacht. Außerdem macht sich in meinem Hinterkopf langsam der Wunsch nach einem leckeren “Cream Tea” breit. Von der Kaskade und der dazugehörigen Brücke kann ich aus Pietäts-Gründen leider kein Foto zeigen, da die geheimnisvolle Sheffield-Lady mit dem Kopf unter dem Arm dort gerade ihre rastlose Runde dreht.
Gehen wir einfach in der Gartengeschichte einen Schritt weiter. Arthur Soames besaß den Garten zwischen 1909 – 1934. Er bestückte ihn mit weiteren Bäumen. Eine seiner Vorlieben galt den Rhododendren, auf dem Foto wirken sie am hinteren See wie der Eingang in einen grünen Dschungel.
1980 wurde seine Sammlung nachträglich gewürdigt, indem der Park den Status: “nationale Ghent-Azaleen-Sammlung” erhielt. Ich habe nun die beiden hinteren Seeteile ‘Upper woman’s way pond’ und den ‘Lower woman’s way pond’ verlassen und gehe den Church Walk am Middle Lake entlang zu einem der schönsten Aussichtspunkte.
Geschützt am Fuße der “Pullham Falls”, die sich normalerweise vom “Ten Foot Pond” in den “Middle Lake” ergießen, und jetzt wegen der anhaltenden Trockenheit gerade mal ein kleines Rinnsal schafften, fanden sich diese Palmen an hohe Rhododendron-Wände angelehnt.
Ich nähere mich der “First Bridge” und denke so für mich, dieser Park braucht tatsächlich keine Blühstauden. Die Farne, immergrünen Nadelgehölze mit den unterschiedlichen Formen und die verschiedenen Farben der Laubgehölze, was für ein guter Ort zum Atmen, Innehalten und genießen!
Dann stehe ich auf der Brücke und mein Blick schweift weit nach hinten, wo ich vor kurzem noch herumgelaufen bin. “Das hast Du wirklich gut gemacht Capability” denke ich “Du hast Deine Möglichkeiten tatsächlich voll ausgeschöpft”.
Ich kann mich nicht satt sehen und denke, wenn sich jetzt das Wasser auch noch geräuschvoll in den Middle Lake ergießen würde, dann wäre das schon fast zu viel Glück.
Als ich auf die andere Seite der Brücke trete, steht majestätisch wieder das gotische Landhaus vor mir.
Dann komme ich bei einem weiteren kleinen See an, der namenlos ist und über den ich keine Daten finde, ob er zu den ursprünglichen 4 natürlichen Seen gehörte oder nicht. Auf jeden Fall bin ich beeindruckt, wie sich der Eucalyptus gunni förmlich über der Wasser-Oberfläche in den Himmel zu schrauben scheint.
Dann bin ich am Park-Ausgang angelangt und treffe den alten Rhododrendron wieder. ‘Angelo’ versteht die Welt nicht mehr. “Wie, willst Du etwa schon gehen?” ruft mir ‘Angelo’ zu. Augenzwinkernd flüstere ich zurück. “Verzeihe mir lieber ‘Angelo’, aber der “Cream-Tea” wartet auf mich.” Und den habe ich dann nach diesen Kilometern, die ich im Park zurückgelegt habe, auch sehr genossen.
East Sussex, Sheffield Park and Garden, Uckfield TN22 3QX, 80 ha, NT, “Englischer Landschaftspark von Capability Brown und anderen gestaltet, nationale Ghent-Azaleen-Sammlung”, Sheffield Park & Garden, Tel. 01825 790231 Email-Adr. sheffieldpark@nationaltrust.org.uk Website: https://en.wikipedia.org/wiki/Sheffield_Park_Garden
6 Kommentare
Liebe Renate. Ein schöner Rundgang durch einen Traumpark. Und wieder mit viel wissen über Entstehung usw gespickt. Danke war schön zu lesen und Dich zu begleiten
Lach, ich glaube, das war genau richtig für diesen Sonntag, gleich laufe ich durch den Wald in meiner Nähe und am Abend kann man dann virtuell weiterlaufen. Schönen Sonntag liebe Christa
Eine sehr schön gemachte Webseite. Knapp zwei Wochen liegt erst unser Urlaub in Brighton, an der Südküste Englands, zurück.
Beim Surfen bin ich auf diese Seite gestoßen und fühle mich sofort angenehm an unseren Kurztrip erinnert. Tolle Fotos und ein gut geschriebener Begleittext.
Vielen Dank, das freut mich. Bald kannst Du Abbey House Gardens sehen, vielleicht warst Du da auch? LG Wurzerl
Danke für diesen Beitrag, habe noch nie ein so liebevoll gestalteten Bericht entdeckt.
Vielen lieben Dank, ich denke, da kannst Du bei Wurzerl auf Reisen noch weiter fündig werden, viel Spaß beim Urlaub machen in Wurzerlsgarten. LG Wurzerl