Besuch am 30.08.2018
Zu Nymans Garden, in der englischen Grafschaft West Sussex im Süden Großbritanniens gelegen, habe ich seit Jahrzehnten eine besondere Seelen-Verbindung. Es war mein allererster Garten auf meiner Gartenreisen-Premiere im Juli 1996, die mich in den Süden Englands führte. Eine wehmütig gedämpfte Stimmung, die von Gewitter und Dauerregen noch verstärkt wurde, lag neun Jahre nach dem großen Sturm vom Oktober 1987 immer noch über dem Garten.
Damals war das Arboretum schwer beschädigt worden. 486 alte Bäume und ein Großteil der Sträucher waren verloren gegangen; das Pinetum, ein wichtiges Gestaltungsmerkmal Nymans, wurde fast komplett zerstört. Die Wunden und Lücken waren auch 1996 noch unübersehbar.
Als ich 22 Jahre später Nymans Garden auf dem “Halwax-Reise”-Programm 2018 entdeckte, konnte ich es nicht mehr erwarten, in diesen Garten zurückzukehren. Was würde mich so lange nach meinem ersten Besuch dort erwarten?
Aber gehen wir doch einfach zusammen hinein. Unterwegs erzähle ich, was ich Altes wiedererkannt und Neues entdeckt habe. Schön? Ja, das dachte ich auch sofort, aber das ist noch nicht der Garten, das ist nur der Zugang vom Parkplatz. Am Ende dieses Weges spitzt schon das Kassenhäuschen hinter der üppigen Stauden-Pflanzung heraus.
Pinetum und Arboretum
Vom Eingang links, an einem Tempelchen vorbei, laufe ich als erstes in Richtung Pinetum. Mit einem leichten Schaudern denke ich an das Bild, das sich mir 1996 bei meinem ersten Besuch mit den überlebenden Resten, zwei arg zerzausten Zedern (siehe Foto oben) geboten hatte. Es waren zwar bereits wieder über 150 verschiedene Nadelbäume neu gepflanzt worden, aber der Anblick erinnerte eher an eine Baumschule. Viele der seltenen Gehölze wurden aus eigenen Samen, oder deren Jungpflanzen wieder neu angezogen, so dass man sie im hohen Gras oft gar nicht entdecken konnte. Heute konnte ich mich fast nicht losreißen, wie schön war das denn geworden! Die Zedern hatten sich erholt und schienen über ihr Hoheitsgebiet ihre schützenden Zweige auszubreiten.
Vom obersten Park-Teil aus genießt man einen wunderbaren Überblick über die Landschaft. Davor breitet sich links das hufeisenförmig gepflanzte Pinetum aus und auf der rechten Seite schließt sich die bunte Blatt-Vielfalt des Arboretums an. Großzügige Wildblumen-Wiesen bedecken weite Teile des Hangs dazwischen. Die silbrigen Grashalme, fast wie eine flauschige Decke wirkend, haben die Buntheit der Nektar spendenden Wildblumen-Blüten im trockenen August einfach zugedeckt.
Der Weg zum Rosengarten
Kurz überlege ich, ob ich den Hauptweg durch die imposante, alte Lindenallee, die dem Sturm standhalten konnte, nehme? Parallel dazu könnte ich auch den langen, beeindruckenden Lorbeer-Gang gehen, um direkt zum Gebäudekomplex zu kommen. Aber ich wähle den dritten Weg auf der rechten Seite und tauche ein in das lichte Blätterdach der seltenen Bäume und Sträucher von Nymans Garden. Die Gehölz-Bereiche sind locker genug angelegt, dass Moose, Zwiebelpflanzen, Farne, Gräser und weitere Schattenstauden ein geeignetes Biotop vorfinden. Im Winter sind hier die Galanthophilen in ihrem weißen Element, dann ist Schneeglöckchen-Zeit! Im Frühling beginnt dann die blaue Phase mit Tausenden ‘Blue Bells’, den in England heimischen Hasenglöckchen (Hyacinthoides non-scripta), bevor es im Sommer dann fast meditativ still grün wird. Dann sorgen unterschiedliche Blatt-Texturen dafür, dass es nicht zu ruhig wird.
Nach einem kleinen Buch-Antiquariat links und dem Gärtner-Häuschen rechts, öffnet sich eine große runde Lichtung, die Maud Wessel zum Rosengarten erkoren hatte. Auch hier dominierte Ende August die Farbe grün. In den 1920er Jahren baute Maud hier eine Sammlung alter Rosen auf. Viele Sorten hatte sie von Ellen Willmott, einer berühmten Rosen-Züchterin und Buchautorin bekommen. 1989 wurden die ermüdeten alten Rosenstöcke entnommen und die Fläche mit 140 verschiedenen alten Rosen-Sorten wieder neu bestückt. So manche Nachblüte, wie diese Rosa ‘Port Sunlight’ (David Austin) erfreut auch noch Ende August das Auge des Betrachters.
Auf den kreisförmig angelegten Rosengarten folgt ein kleines Intermezzo, sozusagen ein Vorspiel für das Spektakel, das mich im Walled Garden mit dem Doppelborder erwartet. Gestalterisch perfekt ist hier eine “lebendige” Mauer gesetzt worden, zu deren dunklem Grün nicht nur der Kiesweg, sondern auch die hellgrüne Blattfarbe der Fuchsia magellanica var. gracilis hervorragend passt.
Vom Fuchsiengang zum Eingang des Mauergartens
Geht man durch den Hecken-Bogen, öffnet sich das Gelände und man erkennt schon am Ende des Rasenstückes Teile der roten Klinker-Mauer, die in einer großen Rundung den Walled Garden schützend umgibt. Wenige besondere Gehölze, wie die drei Trachycarpus fortunei (Chinesische Hanfpalmen) und ein Rhododendron mit einem Riesen-Ausmaß, das man nur anhand der umgebenden Holzelemente ansatzweise ermessen kann, stehen hier vor dem abschließenden Gehölz-Gürtel im gepflegten englischen Rasen. Ich bin mir sicher, dieser Rhododendron ist ein Exemplar der ersten Stunde! Pflanzensammler wie George Forrest oder Joseph Rock brachten von ihren asiatischen Expeditionen viele Jungpflanzen und Samen mit. 1916 wurde die damals herausragende Rhododendron-Sammlung Nymans mit mehr als 80 Wildarten und über 50 Hybriden systematisch erfasst.
Während rechts vom Mauer-Garten lediglich ein schmaler exquisiter Gehölz-Gürtel Platz hat, ist auf der gegenüberliegenden Seite vor und hinter der Mauer ein wunderbarer Baum- und Strauch-Bestand zusammengetragen worden, der sich bis zur Lindenallee hinter ausbreitet. Plötzlich stehe ich vor einem Baum von dem ein weißer Wasserfall mit tosender Gischt herunterzustürzen scheint. Das muss ich mir aus der Nähe ansehen. Oh, wie schön ist das denn? Ich wusste gar nicht, dass Scheinulmen so wunderbar blühen. Diese Auslese von Eucryphia x nymansensis begeistert mich kolossal. Wer rechnet denn Ende August mit so einer überwältigenden Baumblüte? Es sind sicher auch so besondere Gehölz-Selektionen wie diese, die Nymans schnell international bekannt gemacht haben. Neben Nymans Eucryphia finden sich hier unter anderem auch die Magnolia x loebneri ‘Leonard Messel’, Camellia ‘Maud Messel’ und die Forsythia suspensa ‘Nymans’.
Das große Doppel-Mixed-Border im Mauer-Garten
Endlich trete ich in den pulsierenden Nerv der Gartenanlage ein. Vor mir liegen 50 m Doppel-Mixed-Border, hinter mir befindet sich das gemauerte Tor mit den Putten. Nach 25 Metern unterbricht eine Querachse, die optisch durch vier Eiben-Topiary und dem Springbrunnen aus rotem Verona-Marmor fixiert ist, den Durchblick. Ich gehe langsam auf den Springbrunnen zu. Dabei schweift mein Blick über die großzügigen Mixed-Border, die mit abwechselnd harmonischen, Pastell-Tönen, oder wie Feuer und Flamme in einem schieren Farben-Rausch angelegt sind. Die klassische Höhenstaffelung wird durch die Mischung von Gehölzen mit unterschiedlich hohen Stauden, ergänzt durch Geophyten und Annuellen im vorderen Bereich erzielt. Diese Anordnung ist in Großbritannien schon seit dem frühen 20. Jahrhundert populär. In Nymans Garden ist man in Kernpunkten der Tradition verpflichtet, hat aber dabei immer seine eigenen Wege eingeschlagen.
Geht man vom Brunnen aus in die Seitenwege, dann gelangt man innerhalb der Mauer auf einen großzügig angelegten Rundweg. Abseits der Farbenpracht der Border gedeihen hier viele kostbare Bäume aus Südamerika, deren Samen der Sohn des Chef-Gärtners Harold Comber von Pflanzenexpeditionen aus Chile und Argentinien mitgebracht hat. Die Mixed Border sind so gestaltet, dass man auch vom Hauptweg aus schöne Durchblicke genießen kann. Mehrere größere Gehölze sind sogar direkt in die Beete integriert, so dass die Höhenstaffelung noch mächtiger wird, was durch die Gesamtlänge der Border eine phänomenale Wirkung zeigt. Im Mauer-Garten gibt es eine Handvoll Familien-Memorials die betonen, wie wichtig dieser Gartenteil in der Nähe des Hauses für die Familie Messel war.
Mich zieht es wieder auf den Hauptweg und ich schlendere die zweite Hälfte der Border entlang und bewundere die gekonnte Präsentation der Sommer-Beete. Immer wieder schweift mein Blick über die Pracht hinweg, gleitet über die kunstvoll gearbeitete Balustrade hinaus zu einem Baum, den ich überall sofort an seinem eleganten Wuchs erkenne. Cedrus libani ist der botanische Name der Libanon-Zeder und sie steht in vielen englischen Gärten als Statussymbol in der Nähe der Herrenhäuser (z.B. Hidcote Gardens). Die Zeder hatte dem Sturm 1987 standgehalten und verlässt ihren hoheitsvollen Posten nicht. Die Planung des Mauer-Garten-Hauptweges hat wohl schon vom ersten Moment an die Silhouette der Zeder mit einbezogen, so ist auch die Steinmetz-Arbeit am Ende des Gartens sehr filigran ausgefallen. Eine fast 130 Jahre alte Araukarie, die ebenfalls Blickpunkt am Ende dieser Sicht-Achse war, hat leider den fürchterlichen Sturm nicht überlebt.
Schließlich stehe ich am Ende des Mauer-Gartens . Die akkurat streng geschnittene Hecke würde abweisend wirken, wäre da nicht ein Gras davor, das weich und flauschig die dunkelgrüne Wand entlang läuft. Es sieht fast so aus, als würde es dem Besucher zuwinken: “Komm schon, hier sind die 50 m doppelter Blumenpracht zu Ende, da geht es weiter!”
Als ich durch die Hecken-Öffnung gehe, stehe ich vor dem Gebäude-Komplex. Am Haus und an der Ruine gibt es weitere zwei kleine Mauer-Gärten, in die Längsseite der Mauer ist der Tauben-Turm eingepasst. Ich denke zurück an meinen ersten Besuch. Da gab es ein lebhaftes Ein- und Ausfliegen und Gurren von schneeweißen Tauben, die ich heute vermisse. Ich steige die Stufen des Turmes hinauf und werfe einen Blick zurück.
Von den Blumenbeeten kann ich nicht viel sehen, aber die elegant rund geschwungenen Treppen sind gut zu erkennen. Hydrangea ‘Madame Emile Mouillièrre’, eine schöne Ball-Hortensie, umspielt auch im Verblühen die kunstvoll gearbeitete Balustrade.
Haus, Ruine und zwei intime Hausgärten
Endlich sehe ich das Anwesen, links mit dem Teil des Hauses, den Anne Messel noch lange bewohnt hat. Die Ruine auf der rechten Seite ist hier nicht zu sehen. Bei meinem jetzigen Besuch war ein Großteil davon eingerüstet und bei den fertigen renovierten Teilen waren die Wände nackt. Beim ersten Mal wuchsen hier ineinander verschlungen, meterhohe Clematis, Kletter-Hortensien, Geißblatt, Abutilon und Kletterrosen die Ruine empor und verliehen ihr ein märchenhaftes Aussehen. Dafür ist das Mauer-Topiary unversehrt und streckt seine grünen Zinnen nach oben.
Wir sind am Gebäudekomplex angekommen und es wird Zeit, dass ich endlich über die Familie Messel berichte. Der Pflanzenliebhaber Ludwig Messel erwarb 1880 das schöne Anwesen für seine Familie. Drei Generationen erschufen auf 20 Hektar einen besonderen Garten. 111 Hektar Wald gehörten zusätzlich zur Kulturfläche dazu. Messels Obergärtner war 1895 James Comber, er unterstützte L. Messel darin Pflanzensammlungen von Kamelien und Rhododendren anzulegen. Die Kombination dieser Pflanzen mit Eucryphien (Scheinulmen) und Magnolien und die Unterpflanzung von Ericaceen (Heidekrautgewächsen) war damals sehr ungewöhnlich. Es wurde eine große Menge seltener Pflanzen gesammelt und hier angesiedelt. Vieles, wie Plectranthus species, das silbergraue, australische Zitronenblatt unmittelbar am Haus, kannte ich bisher nur als Zimmerpflanze.
Kein Wunder, dass Nymans der Ursprungs-Ort interessanter neuer Selektionen und Hybriden wurde, erkennbar sind einige durch den Begriff “Nymansensis” = von Nymans. William Robinson beriet bei der Gründung des “Wild Gardens”. Etwas umstritten ist, wer für das Herzstück der Gartenanlage zuständig war. Ludwigs Sohn, Oberst Leonard Messel erbte 1915 das Anwesen Nymans und ersetzte das Regency-Haus durch ein malerisches Herrenhaus in einem ausgereiften Spätgotik / Tudor-Stil. Er und seine Gattin Maud dehnten den Garten nach Norden aus und organisierten Saatgut-Sammelexpeditionen in den Himalaya und nach Südamerika. In den 1930er Jahren erreichte der Garten seinen Höhepunkt und wurde regelmäßig für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Dem starken Personalabbau im 2. Weltkrieg folgte 1947 ein verheerender Brand im Haus, das als die ‘Romantic Gothic Mansion Ruins’ bis heute erhalten blieb. Im teilweise umgebauten Rest-Haus wohnte weiterhin Anne Messel, Leonards Tochter, die nach der Übergabe an den National Trust 1954 dem Garten als Garten-Direktorin erhalten blieb. Ich denke das, und die Tatsache, dass in Nymans über 100 Jahre nur 3 verschiedene Head-Gardener für die Familie gearbeitet haben, ist der Grund, warum diese Anlage noch heute so authentisch und trotz der Ruinen dynamisch und in sich stimmig wirkt.
Bevor ich den kleinen Mauergarten betrete, schweift mein Blick den Weg entlang. Rechts stehen lockere Sträucher, an der Mauer sind drei Palmfarne aufgereiht, die wiederum mit Farnen unterpflanzt sind. Das ist eine pfiffige Idee! Dahinter beginnt die Topiary-Hecke deren Formschnitt eine Mauer mit wehrhaften Zinnen simuliert. Sie grenzt den zweiten Garten ab.
Im ersten kleinen Mauer-Garten bietet sich ein Kontrast von oval geschnittenen Hochstämmen von Prunus lusistanica (portugiesische Lorbeerkirsche) und einer lockeren Fenchel- und Erigeron-Bepflanzung. Vieles davon ist schon verblüht, was der Grün-Palette einen kupfrigen Farbton hinzufügt. Souverän verschwendet sich die Krone der Libanon-Zeder über der Szenerie. Der Triumph, dass sie den großen Sturm fast unbeschadet überstanden hat, ist ihr deutlich anzusehen.
Je näher man dem Ruinenbereich kommt, umso exotischer wird die Bepflanzung. Überdimensionale Eucomis, Bananen, Canna, Hedychium, mannshoher Salvia ‘Amistad’, schwarze Baum-Aeonien und vieles mehr drängt sich in das schmale Hausbeet. Genau das habe ich nicht erwartet. Anstatt Tibouchina, Aeonium ‘Swartkop’, Coleus, Feigen und den schon erwähnten Exoten eroberten früher Abutilon, Rosen, Malven, Wisteria, auf der Nordseite die Kletterhortensie und andere Himmelsstürmer die höchsten Punkte der Ruine und versetzten sie in einen romantischen Dornröschen-Schlaf. Ein großes Gerüst über zwei Ruinen-Wände aufgebaut, sagt mir, dass man vor der Renovierung wohl alle Kletterer abnehmen musste, um besser sanieren zu können. Die Ruine soll nämlich dieses Jahr, wie schon früher das Haus, dem Besucher zugänglich gemacht werden.
Ich schau lieber in den zweiten Mauergarten, dessen lebendige Hecke die übermäßigen Zinnen verpasst bekommen hat. Auch hier reizt der Kontrast vom strengen Topiary-Schnitt zu der mit blauen Blüh-Strahlen um sich werfenden Perovskia (Blauraute). Wer will ihren Übermut schon bändigen?
Die Zeit wird langsam knapp, dabei gibt es doch noch so viel zu sehen. Ich gehe jetzt direkt zur italienischen Sommer-Loggia. Vor dieser, inmitten von sichelmondförmigen Beeten mit Gaura, Fenchel und kleinen Korbblütlern am Rande, hatte Ludwig Messel eine große byzantinische Urne aus istrischem Marmor hinzugefügt. ‘Dundee’ Kletterrosen und Clematis x jackmanii erobern von den beiden Eckbeeten aus das Sommerhaus, das wie ein kleiner Tempel anmutet. Dieser sehr intime Gartenteil nennt sich ‘Sunk Garden’ (Senkgarten) und ist sowohl von Gertrude Jekyll und Edwin Lutyens inspiriert, als auch von dem Garten-Designer Harold Peto, der Nymans oft besucht hatte. Da ich seinen Wohnsitz Iford Manor gut kenne, kann ich seine Handschrift an dieser Stelle auch entdecken.
Vom Senkgarten über das Südafrika-Beet und den Heidegarten bis zum Gartenende
Viele Gartenteile, die ich bisher vorgestellt habe, waren mir bekannt, da sie als traditionelle viktorianische und edwardianische Elemente, oder auch im eher lockeren Cottage Garden Style schon immer oder zumindest sehr lange im Garten vorhanden waren. Aber nun stehe ich plötzlich vor etwas mir völlig Neuem. In der Main Lawn (Haupt-Rasen) ist ein Südafrika-Beet entstanden. Es erhebt sich im neuartigen Prärie-Stil aus dem englischen Rasen und zeigt eine farbenfrohe Stauden-Palette, dazu wenige strukturierende Gehölze. Berkheya purpurea weiß, dass ich sie mag, sie strahlt mir schon von weitem entgegen. Orangefarbene Raketen der Fackellilien und tiefblaue Agapanthus, dazwischen Diascia barbarae die sich in rosa Wellen durch das Beet schlängelt, Gräser, Agaven, Aloen und Yuccas prägen die beiden südafrikanischen Beete.
Vom anschließenden Rock Garden (Steingarten) wende ich mich bedauernd ab, Baustelle! Gleich daneben befindet sich der Heather Garden, ein sehr spezieller Heide-Garten. Wenn ich mir vorstelle, wie langsam Ericaceen und ähnliches wachsen und was für Riesen-Polster sie hier unter Kleinbäumen und Sträuchern gebildet haben, dann ist das Bild, das sich mir jetzt bietet, schon etwas ganz erhabenes und besonderes. Die ergänzenden Gehölze sind nicht nur in der Höhenstaffelung sondern auch mit wunderbaren Laub- und Nadel-Kontrasten wertvolle Partner der Heide-Pflanzen. Dieser Gartenbereich gehört zum Südende der Anlage und von hier genießt man einen weiten Blick in die Landschaft über das Ouse Tal bis zu den South Downs.
Tatsächlich geht es noch exotischer, als in den südafrikanischen Beeten. Parallel zum Heide-Garten kommt man in die australische Schlucht. Die Eukalypten, hier Eucalyptus pulverenta, ein besonders attraktiver Blaugummibaum, prägen neben vielen unterschiedlichen Myrtengewächsen und anderen Exoten diesen Gartenbereich.
Von der oberen Kante aus genießt man einen wunderbaren Blick in die australische Flora und ich staune, wie hier hauptsächlich mit Blatt-Texturen und farblich besonderen Stauden wie Artemisia, starke Bilder entstehen, ohne dass eine einzige Blüte vonnöten wäre.
Die Wisteria-Pergola verläuft parallel zur Schlucht an der Gartenbegrenzung entlang. An ihrem Ende befindet sich eine pfiffig gepflasterte Treppe. Die Mauerkronen sind mit Thymian und Walzen-Wolfsmilch bepflanzt. Aus den Stufen quillt ein üppiges, dickes Polster mit Inkalilien (Alstroemeria) und spanischen Gänseblümchen (Erigeron karvinskianus) hervor. Es ist kaum möglich, im Mittelteil der Treppe gefahrlos hinunter zu balancieren.
So, jetzt heißt es aber die Beine in die Hand zu nehmen. Der Bus wartet in einer halben Stunde und ich befinde mich am total anderen Ende des Gartens. Außer Atem komme ich in den vorderen Bereich, wo mir Romney coulteri, der Kalifornische Baummohn begütigend vom Eingangsbereich aus zuwinkt. Er lacht, als ich zur Sicherheit noch einmal auf die Uhr schaue. Puh, was für ein Marathon liegt hinter mir, obwohl ich große Arboretum-Teile und die Wilderness-Gebiete gar nicht mehr geschafft habe. Aber ich bin glücklich und dankbar, diesen Garten so positiv wieder erlebt zu haben. Darum war es mir auch ein Bedürfnis, die “British Gardens” exakt mit diesem besonderen Garten zu eröffnen.
Nymans Garden
West Sussex, High Weald AONB, Staplefield Ln, Handcross RH17 6EB, 12 ha Garten und Wald, Nymans Garden, in Verwaltung National Trust, Kontakt: Tel. 0044/1444/400321
9 Kommentare
Grossartig, liebe Wurzerl, wie du diesen Gartenrundgang beschreibst. Hatte das Gefühl, als hätte ich dich begleitet und alles auch gesehen 😉 !! Deine website ist sehr umfangreich, informativ, schön und übersichtlich gestaltet und macht neugierig ALLES zu lesen. Habe es aber erst (und zuerst!) in deiner Bücherkiste geschafft. Wollte natürlich wissen, wie du das Wasi Sabi Buch, das ich auch habe, beschreibst…. Werde heute Abend weiterlesen…und da ich die Kinder hüte, ihnen vielleicht sogar ein Märchen von dir vorlesen. Sei ganz lieb gegrüsst,
Barbara
Liebe Reise-Freundin, ich hoffe ja wirklich sehr, dass wir uns in den Nach-Corona-Zeiten wieder gemeinsam auf Abenteuer begeben können.Natürlich ist es naheliegend, dass Du als erstes in die Sparte “British Gardens” schaust. (obwohl, noch vor den Rosen?) Es freut mich sehr, dass Dir der Garten-Spaziergang dort gefallen hat. Viele werden meine Berichte nicht ganz lesen und anschauen – aber es ist mein Prinzip, dass ich alles tue, um jemanden, der sich auf mein langes Geschwafel einlässt, doch wirklich mitzunehmen bei diesen Ausflügen.
Würde mich freuen, mehr von Dir zu hören, sei lieb gegrüßt Barbara
vom Wurzerl
Ach ich habe mich kurz so gefühlt als wäre ich in England…danke für die ausführliche
Gartenbeschreibung… Auf jeden Fall sehr sehenswert.. Vielleicht werde ich es ja mal live sehen.. Danke das ich dich begleiten konnte… Liebe Grüße Karin
Liebe Karin, wenn ich Euch mitnehme, dann soll es auch ausführlich und in Ruhe sein. Nur dann kann man das Gefühl entwickeln, dabei gewesen zu sein. Ich glaube, das haben auch viele bei der Vorstellung Deines Gartens so empfunden. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende.
Liebe Grüße
Wurzerl
Liebe Renatei Heute habe ich alle Neuerungen wieder besucht und gratuliere Dich herzlich. Gültekin
Herzlichen Dank für deine ausführliche und liebevolle Gartenbeschreibung.
Ich war schon in Nymans (JUlie 2014) und habe den Garten nochmal nacherlebt, diesmal mit deinem Blickwinkel.
Übrigens war ich im Juli 1996 ebenfalls zum ersten Mal in England auf Gartenreise 😉
Ach wie nett, da hatten wir gleichzeitig Premiere. Ja, ich liebe die Gärten alle auf der ganzen Welt. Aber sobald ich einen Garten in Großbritannien betrete, ist das irgendwie ein wenig wie heimkommen. Ich wünsche Dir eine gute Woche liebe Maria. LG Wurzerl
Hallo, liebe Renate! Ich danke Dir für den wunderschönen Spaziergang durch das schöne Park-Garten, und die ausführliche Beschreibung, leider habe ich den Garten noch nicht besucht. Mir fehlen die Englandreisen auch sehr, und ich hoffe, dass das dauert nicht mehr so lange und wir können bald (relativ) reisen. Ich bin sehr gespannt auf Dein nächstes Gärten. L.G.
Liebe Ludmila, gleich werde ich ihn auf meiner Facebook-Seite und in den Traumgärten verlinken, Du kannst Dir gerne schon mal eine Tasse Kaffee zurechtstellen und dann wünsche ich Dir viel Spaß in den alten Mauern von Scotney Castle. Und einen schönen Tag natürlich, sowieso. LG Wurzerl