Heale House Garden, ein Kraftort in Wiltshire

Goldregen- und Wisteria-Gang am Rand des Küchengartens von Heale Garden

Vorspiel

Es dauert immer eine geraume Weile, bis ich das Coverbild eines neuen Beitrages festgelegt habe. Es ist ja quasi die Visitenkarte, das Website-Entree in den Garten. In “Heale Garden” war es tatsächlich eine Sache von Sekunden. Wer das Foto mit meinem Website-Rahmen vergleicht, versteht sofort, was ich meine. Den Entwurf zum Aquarell hatte ich auch innerhalb von Sekunden mit dem Bleistift aufs Papier gebracht und an Karin Berends-Lüürßen geschickt, mit der Bitte, es genau so in den Farben Gelb und Blau für Gold- und Blauregen, als Einrahmung von Wurzerlsgarten umzusetzen. Dieses in Heale Garden entdeckte Motiv ist der Grund, warum ich diesen Garten für die erste Einzelvorstellung aussuchte.

Ankommen in der Wild Flower Area

“Heale House”, mit seinen acht Hektar großen Gärten, nördlich von Salisbury, in der Grafschaft Wiltshire gelegen, ist das erste Gartenziel, das unser Bus, von London aus, ansteuert.

Die “Wild Flower Area” und der private Eingangsbereich – Die Raffinesse liegt oft in der Schlichtheit!

Busfahren ist in Großbritannien sehr entspannend, wenn man nicht selbst am Steuer sitzt. Es scheint, als führe man durch einen überdimensionalen, beschaulichen Landschaftspark, der nur selten von Großstädten, dafür häufiger von pittoresken oder gemütlichen Dörfern besiedelt ist. Häufig sind die Straßen nur Hohlwege, die aus ehemaligen Agrar-Nutz-Wegen entstanden sind und die Durchfahrten durch die Dörfer sind auch nicht wirklich breit. Alleebäume und Häuserfronten bestimmen die Straßenbreiten, die für die schmaleren alten Busse durchaus ausreichten. Die modernen Reisebusse bringen ihre Fahrer nicht selten an ihre Grenzen. Unser Busfahrer ist ein Könner und tut alles, um uns immer möglichst nahe an die Gärten, die wir besuchen wollen, heranzusteuern.

Wir sind in Middle Woodford angekommen und freuen uns auf den ersten Garten dieser Südengland-Reise. Nachdem ich mich im Pflanzencenter und dem Shop erkundigt habe, ob ich einen Websitebeitrag über diesen privaten Garten in “Wurzerlsgarten” veröffentlichen dürfe, was mir gerne zugestanden wurde, bummele ich nun durch das Picknick-Areal, wo sich einer der ältesten Lebkuchenbäume (Cercidiphyllum japonicum) Europas befindet. Über die „Wild Flower Area“, die mir sehr gut gefällt, gelange ich bis zum stark kontrastierenden streng gegliederten Tunnelgarten.

Tunnel Garden & Top Terrace

Sir William Green ließ in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Heale House erbauen, um es der Tochter 1553 als Mitgift und Hochzeitsgeschenk zu übergeben. Später erwarb Lawrence Hyde den Besitz. Als ihn sein Sohn übernahm, hatte er mit knapp 8 Hektar annähernd die Größe von heute. Es gab weitere Besitzerwechsel, bis Louis Greville im Jahr 1894 das Anwesen erwarb. Er war der Großonkel des jetzigen Besitzers Guy Rasch, der den Garten nach seiner Hochzeit 1996 übernommen hat.

Viele Gartenteile rund um das Haus, nicht nur der Tunnelgarten sind mit einer dekorativen, alten Steinmauer umgeben.

Aber zurück zu den Anfängen des Gartens. Erst spät, nämlich 1910 legte der Landschaftsarchitekt Harold Peto erste Pläne zur Gartengestaltung vor. Petos Ideen waren stark von der “Arts-and-Crafts-Bewegung” beeinflusst. Im “Peto Garden Iford Manor”, wir hatten das Glück, ihn ebenfalls besuchen zu können, finden sich die Parallelen seiner gestalterischen Handschrift in Reinkultur wieder. Die Steinarbeiten und Pflasterungen, die großzügige Terrasse, all das zeugt vom Stil Petos.

der Apfeltunnel – im Gemüsegarten – die Feigenlaube

Lady Anne Rasch, die Mutter vom heutigen Besitzer Guy Rasch, verkleinerte in den 60er Jahren das ebene Gelände mit den angrenzenden Koppeln, auf dem die Pferde grasen. Der Eindruck ist immer noch sehr herrschaftlich und großzügig. Sie ließ auch den Tunnelgarten mit dem Apfeltunnel und den Küchengarten mit der Feigenlaube, von einer dekorativen Steinmauer umgeben, anlegen.

Das kunstvoll arrangierte Apfelspalier zeugt vom Können der Gärtner, von denen wohl Zwei in Vollzeit im Garten beschäftigt sind. Im Pflanzenzentrum und dem Shop sind aber bestimmt während der Saison noch weitere Helfer vor Ort.

Ein weiteres Spalier mit blauen und weißen Wisteriablüten, aufgefrischt mit Goldregenblüten, begeistert mich restlos, ich schrieb bereits oben darüber. Elegant neigen sich die langen Blütenstiele dem Betrachter zu. Wer sich unter Goldregenblüten stellt, kann sich fühlen wie die “Goldmarie” aus Frau Holles Märchen. Ob von diesem magischen Platz die Kraft des Gartens hinausstrebt bis zum River Avon, oder ob es genau umgekehrt ist, ich weiß es nicht, aber ich spüre es!

Inzwischen ist Frances Rasch, Guys Gattin, in die Fußstapfen ihrer Schwiegermutter, als neue “Gardenlady” eingestiegen. Mit ihrer Einheirat in “Heale House Garden” erwachte auch in ihr der Wunsch, eine persönliche Duftmarke zu setzen. Nachdem sie Workshops im “Chelsea Physic Garden”, dem alten Botanischen Garten Londons besucht hatte, begann sie mit frischem Schwung und neuen Ideen den Garten noch attraktiver zu gestalten.

Der Japanische Wassergarten – Japanese Water-Garden

Ich teile mit Frances Rasch die Liebe zum Japanischen Wassergarten. Mit ihren Pflanzideen hat sie ihn seit meinem ersten Besuch noch spannender gestaltet.

Ich erinnere mich, dass dieser Garten bereits 2007 eine überraschende Wirkung auf mich ausübte. Neben seiner starken Ausstrahlung verspürte ich gleichzeitig die friedliche Beschaulichkeit und Ruhe von Heale Garden. Sicher existierte seinerzeit noch intensiver die heilende Wirkung dieses Ortes, den sich das Salisbury Hospital im II. Weltkrieg mit Erlaubnis der Besitzer zunutze machen durfte. Das Krankenhaus schickte Soldaten zur endgültigen Genesung nach Heale Garden!

17 Jahre später überwiegt tatsächlich die dynamische Kraftausstrahlung der fließenden Nebenarme des River Avon, die diesem Garten zusammen mit den innovativen Pflanzideen von Frances Rasch und den weiter gealterten Baumriesen auf dem Areal eine unglaubliche Wirkung und Stärke verleihen.

Die Grundlagen des “Japanischen Wassergartens” beruhen ebenfalls auf Planungen von Herold Peto. Die japanischen Elemente, zum Beispiel die “Nikko”-Brücke, wurden seinerzeit auf Wunsch von Louis Greville, der als Diplomat in Tokio gearbeitet hatte, eingebracht. Die japanische Steinlaterne “Kasuga” ist eine “Tachi-gata”. Diese Art der Sockellaternen gehört zu den Ältesten der in japanischen Tempelgärten verwendeten Laternen. Die Füße des reetgedeckten, japanischen Teehauses sind vom River Avon umspült.

Auf dem Weg zum Sonnenuhren-Garten – Sundial Garden

Ich kann mich kaum aus dieser dichten Atmosphäre des “Japanischen Wassergartens” lösen. Schließlich gehe ich langsam zurück bis zur Brücke, um sie zu überqueren und wieder auf die dem Haus nähere Gartenseite zu gelangen.

Der Rasen ist verschwenderisch vor mir ausgebreitet. Er wird im Osten vom River Avon gestoppt, der von Norden kommend, an der Schmalseite des Hauses vorbeifließt, was zum Bau einer “Boat Terrace” animierte. In einem eleganten Bogen macht sich der Fluss dann nach Südwesten auf und dieser “geliehene Schatz” prägt die Wirkung von Heale Garden, er strukturiert und ermöglicht so herrliche Gartenteile, wie den Japanischen Wassergarten.

Genial finde ich zweierlei Dinge. Zum einen wird am anderen Flussufer der englische Rasen als kurz gemähte Wiese weitergeführt; außerdem, man sieht es auf den Fotos, ist nur punktuell, sparsam gepflanzt worden, um den Eindruck noch großzügiger und ausdrucksvoller, jedoch keineswegs langweilig erscheinen zu lassen. So ist vor dem Gehölzgürtel ein alter “Venetian Wellhead” zu sehen, der von zwei Zedern flankiert ist. Mit “Venetian Wellhead” ist ein in Italien gefertigter heraldischer, venezianischer Brunnenkopf gemeint. Kurz vor dem Knick des River Avon begrenzt eine niedrige Steinbalustrade den Rasen, lässt aber trotzdem den Blick des Besuchers ungehindert auf die ebenfalls kurz gemähte Wiese bis zum Gehölzbereich auf der anderen Seite schweifen.

Die gezielte Bepflanzung mit auffälligen Gehölzen, in Hausnähe auch gerne mit Formschnitt, lässt mich immer wieder innehalten, um Sichtachsen zu entdecken, eine Gruppe Gunnera, Mammutblatt, direkt am Flussufer, oder die eingestreuten Magnoliensolitäre, wie Magnolia ‘Venus’ im Rasen. Die Magnolien sind Sammelobjekte im Garten, das erklärt, warum ein Teil aus Jungbäumen besteht.

Eine weitere Sammelgattung im Garten sind die Rosen. Auf dem Weg zum “Sundial Garden” bin ich schon vielen Arten und Sorten begegnet. Das Beet, rund um die Sonnenuhr, ist im “Cottage Style” gestaltet, was sehr gut mit der Aussicht bis zum Gehölzgürtel harmoniert. Die Liebe zur Gruppe der Moschata Rosen zeigt sich später noch eindrucksvoll zwischen der “Croquet Lawn” und dem “Long Border” im hintersten Teil, zu dem ich Euch jetzt auch mitnehme.

Vom Gartenende zur Croquet Lawn und dem Longborder

Im hintersten Bereich wird mit krassen Gegensätzen eine anregende Spannung erzeugt. Ich weiß gar nicht, was ich als erstes fotografieren und anschauen soll.

Magnolien und Taschentuchbaum, Davidia involucrata in Flussnähe – Eiben-Formschnitt-Kabinett in Hausnähe

Ich bin plötzlich Teil einer großen Garten-Choreografie geworden. Nein, ich denke dabei nicht an Händels “Wassermusik”. Es ist eine große Oper, die im ersten Akt (japanischer Wassergarten, Tunnel Garten, Blau- und Goldregentunnel) einen temperamentvollen Bilderbogen-Auftakt bildet, im zweiten Akt etwas Ruhe (Rasen, River Avon, Solitärpflanzen und Gehölzgürtel) einkehren lässt, um dann im dritten Akt mit einem furiosen Finale rund um das Haus aufzuspielen.

So eine enorme Wirkung hatte ich in meiner Erinnerung nicht. Auch hier brachte Frances Rasch neue Ideen ein. Sie ließ in der großen “Crocket Lawn” ein Eiben-Formschnitt-Kabinett errichten. Das verleiht in der Tat der weiten Fläche mehr Struktur und Dichte in Richtung zum Haus. Durch eines der schmiedeeisernen Tore erreiche ich vom Sonnenblumengarten aus das “Long Border”, parallel dazu verläuft das “Musk Roses Border” mit Sorten wie “Moonlight”, ‘Penelope’, ‘Cornelia’ oder ‘Buff Beauty’.

Der Garten am Haus

Ich schlendere an den Moschata-Rosen vor der Croquet Lawn vorbei und laufe dann bis zur Boots-Terrasse den River Walk entlang, um mich der Hausterrasse zuzuwenden.

Die Seitenbegrenzung zur höhergelegenen Terrasse ist mit einer niedrigen Steinmauer fixiert. Oben verläuft ein Saum mit klassischem, altenglischem Lavendel. Das schmale Beet darunter ist eine feine Symbiose zwischen auffälligen Prachtstauden wie den hohen Bartiris oder kindskopfgroß blühenden Päonien, mit Goldbaldrian, mittelhohen panaschierten Gräsern, ja sogar mit schlichtem, gelbblühenden Hahnenfuß. Diese Bepflanzung schafft einen perfekten Übergang vom Fluss, der Landschaft dahinter und dem Terrassengarten, der genauso raffiniert, nur eine Spur “edler” gestaltet ist.

Geum ‘Mai Tai’, Nelkenwurz – Sisyrinchium striatum, Argentinisches Grasschwertel – Aquilegia vulgaris

Was ich mit “edler” meine? Die Bepflanzung unmittelbar an den beiden Hausseiten entlang, lässt das Gebäude geradezu mit der Terrasse verschmelzen. Die Bodenplatten sind nicht einzementiert und an mehreren Stellen großzügig entfernt worden, um drei Blauregen wie Sonnenschirme aus der Terrasse herauswachsen zu lassen. Die Mittelmeerwolfsmilch darf sich verschwenderisch verlustieren, weiße Erigeron und pinkfarbene Geranium spenden dem Grün Farbtupfer. Weitere Euphorbien, andersfarbige Geranium und Lychnis leisten den Wisteria-Stämmchen Gesellschaft.

Das riesige Hausportal zum Garten brauchte einen besonderen Rahmen. Herkömmliche Kletterpflanzen kamen wegen der historischen Bausubstanz nicht infrage. Die Lösung sind zwei Magnolia grandiflora, die als Säulen geschnitten das Portal flankieren. Trotz dieser extravaganten Gehölze verbindet sich die Terrasse natürlich und harmonisch mit allen angrenzenden Bereichen und ist ein totaler Hingucker.

Tatsächlich ist der Südwestflügel des Hauses unverändert geblieben, seit sich König Karl II. im Oktober 1651 für 6 Nächte hier versteckt hatte, bevor er nach Shoreham weiterritt, um dort ein Schiff nach Frankreich zu erreichen. Der Garten existierte zu der damaligen Zeit noch nicht, umso größer schätze ich die Leistung der Gestalter ein, ihn so geplant zu haben, als wäre er “mit dem Haus groß geworden”!

Ich hatte das Areal schon einmal besucht und finde die Veränderungen sehr stimmig. Die Privatbereiche rund um das Haus sind zwar ausgeweitet, trotzdem können Besucher weiter die Blicke vom Landschafts- und formalen Garten zur üppig bepflanzten Terrasse vor der Hausfront genießen. Mehr denn je bin ich diesem magischen, wunderbaren Garten verbunden und der Familie Rasch sehr dankbar, dass sie ihr Gartenglück weiter mit Besuchern teilen und ich darüber auf Wurzerlsgarten berichten darf.

Heale Garden

Middle Woodford, Salisbury, Wiltshire, SP4 6NT

Kontakt: Tel: 0044/1722782504 Mail-Adr.: info@healegarden.co.uk

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11 Kommentare

  • Renate Klatte sagt:

    Vielen Dank liebe Renate, dass ich mit deiner wunderbaren Beschreibung diesen Garten noch einmal erleben und genießen kann. Unglaublich, welche Emotionen du mit deinen Worten hervorrufen kannst! Dankeschön dafür und liebe Grüße

  • Lisa Holup sagt:

    Liebe Renate,
    grandioser Artikel , alles wunderbar beschrieben und dazu noch so schöne Bilder! Von Herzen , großen Dank 🫶🏻😘

  • Erna sagt:

    Vielen lieben Dank für die mitnahmen auf deiner wunderbaren England Reise. So schön und Kontrastreiche Vielfalt in dem großen Garten, inspiriert mich mal wieder sehr . Dankeschön

  • Oh ja, das Eingangsbild ist sehr wichtig.
    Oft habe ich aber keins, das zum einleitenden Text passt, dann muss es auch mal ein weniger schönes sein..
    VG
    Elke

  • Liebe Renate.
    Was für eine schöne Beschreibung für diesen tollen und wunderschönen Garten. Ein Revue passieren lassen unserer gemeinsamen Reise, bestückt mit phantastischen Bildern.
    Ganz herzlichen Dank dafür und liebe Grüße.
    Gerlinde und Jürgen

    • Das Wurzerl sagt:

      Sehr gerne liebe Gerlinde, Ende Juli geht es mit dem ersten Cornischen Garten, Trebah, weiter. Mehr “clair-voyee” als da geht einfach nicht. LG Wurzerl

  • Monika Ruf sagt:

    Liebe Renate, herzlichen Dank nochmal für die Reiseübersicht und nun die Einzelgarten Beschreibung. Mich hat auch dieser erste Garten besonders angesprochen, schon der Apfeltunnel im Gemüsegarten. Beim Anblick der Gold- und Blauregenpergola war ich dann vollkommen geflasht und wusste sofort, das wird das Titelbild für das Fotobuch von der Reise, ohne die übrigen 10 Gärten gesehen zu haben. So ist es dann auch geschehen.

    Ich habe noch eine Bitte: Kennst Du die Namen der abgebildeten Moschata-Rosen? Ich mag diese Gruppe besonders gerne und habe Penelope und Felicitas im Garten.
    Ich freue mich schon auf den nächsten Garten und wünsche Dir eine gute Zeit! LG Monika

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Monika, die Rosa moschata sind tatsächlich die einzigen Pflanzennamen, die ich nicht kannte und für die allein wollte ich Heale House nicht anschreiben, hätte wohl eher keine Antwort bekommen. LG Wurzerl

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