Markant wirkt das im Tudorstil erbaute Herrenhaus in der Grafschaft Wiltshire, als ich am Gebäude entlangschlendere. Ursprünglich gehörte das Gelände zur Malmesbury Abbey, einem mittelalterlichen Benediktinerkloster, das 1539 geschlossen wurde. Abbey House wurde im 16. Jhdt. für den Unternehmer William Stumpe erbaut, der zur Zeit Heinrichs VIII. Wolle produzieren und vertreiben ließ. Stumpe schenkte der Stadt Malmesbury einen Teil der Abtei zur Nutzung als Pfarrkirche. Die Skulptur im Eingangsbereich und die ersten Gartenräume sind wirklich vielversprechend, ich bin gespannt, was mich erwartet.
Ankommen am Herrenhaus und in den formalen Gartenbereichen
Ab 1994 gestalteten Ian und Barbara Pollard, oft als „The Naked Gardeners“ bezeichnet, hier in Abbey House Gardens, auf 2 ha Grund, ihre Traumvorstellung von einem großzügigen Landhausgarten. Den herrlichen Rahmen lieferten das Herrenhaus, die Klosterruine und das Flusstal. Für Besucher wurde der Garten erstmals 1996 geöffnet. Ian Pollard designte zwei völlig unterschiedliche Gartenteile. Vor dem Haus entstanden mehrere formale Gärten. Buchs- und Eiben-Hecken grenzen die Räume ab. Die hintere Fläche gestalteten die Pollards als terrassierten Waldgarten, der einen steilen Hang bis zum Flussgarten hinabreicht.
Ian Pollard begann, der Historie der Anlage nachzuspüren. Immerhin ist in diesem Areal eine 1300 Jahre währende Geschichte nachgewiesen. So verbrachte hier Athelstan, der erste König Britanniens, mehrere Ruhezeiten. Als erstes legte Ian Pollard alte Strukturen aus dem Wildwuchs heraus frei. Um das Gelände in großzügige Gartenräume zu gliedern, wurden weitläufige Hecken angelegt. Es entstand ein erweitertes Wegenetz. In den formalen Gärten gibt es viele Rasenwege. Der terrassierte Waldgarten bekam feste Pfade, die den Hügel bis zum Flusstal hinunterführen.
Ich bin vom ersten Moment an restlos im Bann dieses mystischen Areals. In der Ecke des vordersten Gartens befindet sich der “Gute Geist” von Abbey House, ein aus Eiben geschnittenes Gesicht. Eine Libanonzeder scheint sie von draußen zu beschirmen. Erst zuhause auf dem Foto erkenne ich, dass ich mich hier im Irisgarten befinde.
Inzwischen schlendere ich schon eine Weile durch den ‘Celtic Cross knot garden’. Ich bin völlig fasziniert von der Symbolik, die hier mit Hilfe von Topiary zum Leben erweckt wurde. Der Gartengrundriss des Keltischen Knotengartens zeigt ein Keltisches Kreuz, im Mittelpunkt befindet sich ein Brunnen. Der kunstvoll ausgeführte Knoten zeigt ein “S”. Als Keltisches Symbol steht es für Neubesinnung genauso, wie für Erinnerung.
Der Keltische Garten erinnert an Maildulph von Malmesbury, einen irischen Mönch, der hier ein Oratorium gegründet hatte. Sein Schüler Aldhelm von Sherborne ließ das Oratorium später zum Kloster ausbauen. Um 675 starb Maildulph. Später wurde die Stadt nach ihm Malmesbury getauft. Der Grundriss der ehemaligen Kapelle des Damenstiftes wurde durch Eibensäulen markiert. Durch den ‘Saxon Arch’ betrete ich die nächsten Gartenräume.
Der makellose, kurz geschnittene Rasen führt mich in einen Garten, der zum Ruhen oder Schachspielen einlädt. Eine spannende Partie ist gerade voll im Gange.
Es wirkt alles so großzügig, dass ich mich nicht wundere, als ich auf dem Weg zum Doppelborder lese, dass Abbey House Gardens mit 100 000 Tulpen bestückt ist und übers Jahr hinweg über 10000 verschiedene Pflanzen für ein Blütenmeer von März bis Oktober sorgen.
Um bei diesen Superlativen zu bleiben: Dem ‘Double herbaceous borders’, einem doppelseitigen Staudenbeet wurde eine aufwendige Boden-Vorbereitung zugedacht. Schließlich sollte hier ein Groß-Teil der vorhandenen 2000 Rosen mit üppigen Blüten glänzen. Die 2000ste Rose wurde übrigens genau zum Jahrtausend-Wechsel gepflanzt.
Auch wenn ich versuche, möglichst alle Attraktionen des Gartens aufzuzählen, alles zu beschreiben kostet zu viel Zeit und einige Gartenteile haben ihren Blühhöhepunkt erst vor sich, oder bereits hinter sich und ich zeige darum keine Fotos. Aber den verblühten ‘Laburnum Tunnel Walk’, der mit der Kombination Goldregen und lila Alliumbällen dem “Goldregen-Gang” von Rosemary Verey in Barnsley House Gardens nachempfunden ist, muss ich einfach erwähnen, da ich das Glück hatte, letzteren in Blüte zu erleben.
Der ‘Arcaded Walk’ Arkaden-Spazierweg umrundet den Kräutergarten und bietet 180 Obstbäumen ein geschütztes Habitat. Rosen und Clematis schmücken die Innenseite.
Besonders groß ist der kreisrunde, mittelalterliche Kräutergarten, ‘Mediaeval’ herb garden, der in monatelangem Austarieren der Fläche entstanden ist. Teich und Brunnen fördern die Luftfeuchtigkeit für die Stauden in diesem sehr sonnigen Areal.
1200 verschiedene Heil- und Duftkräuter kitzeln mich in der Nase. Auf Hochbeeten umringen sie den zentral gelegenen Teich. Das Arkaden-Rund schafft nicht nur ein geschütztes Kleinklima für die Pflanzen. Sie halten auch den Duft im Kräutergarten fest.
Hinab in das Flusstal zu den Landschaftsgärten
Skulpturen von Wassergeistern und ein 200 Jahre alter Maulbeerbaum begleiten zum Belvedere & Pentice. Zum Erfrischungsbereich gehe ich nicht, denn alte Mauern und das Abthaus verlocken mich näherzukommen.
Das Abt-Haus, ‘Abbot’s House’, war einst ein Teil des Benediktinerklosters. Die geballte Mystik und Symbolik wirkt auf mich wie eine Spiegelung des Keltischen Gartens und damit wie eine neuerliche Rückerinnerung an historische Zeiten.
Die Skulpturen-Sammlung des Ehepaares ist sehr speziell, jedes Exponat erzählt seine eigene Geschichte. Jeder Besucher kann sich seine eigene Vorstellung von dem Gesehenen machen und sich nach rückwärts wenden oder nach vorne schauen.
Ich befinde mich nun seit kurzem auf der hinteren Hausseite. Ein relativ neues Projekt dort stellt die Anlage der Dinosauriergrube dar, in der uralte Pflanzen wie Baumfarne und Farne eine neue Heimat gefunden haben. Vielleicht ist das als Hommage an den ältesten Baumfarn Großbritanniens zu verstehen, der hier in Abbey House Gardens zu einem Methusalem herangewachsen ist.
Der Hügel, den ich nun zum Flusstal des Avon (keltisches Wort für Fluss) hinabsteige, ist im Frühling mit tausenden Narzissen übersät. Als ich Abbey House im Sommer besuche, beeindrucken mich mehr als 100 japanische Ahorne und viele weitere seltene Bäume auf dem Hang. Sammlungen von Kamelien, Hortensien, Rhododendren, Hostas, Iris und Helleborus überschwemmen imposant den Hügel auf großer Fläche. Trotzdem wirkt der Waldgarten überraschend natürlich.
Am Fuße des Hügels befindet sich ein Geröllgarten mit Heidesträucher und Nadelgehölzen. Am Gehölzrand ist eine Fuchsiengalerie zu bestaunen. Dann stehe ich vor fließendem Wasser und dahinter sehe ich weitere Fischteiche. Es ist wunderschön hier! Der gewollte Kontrast dieses natürlich gestalteten Flusstales zu den formalen Formschnittgärten oben auf der anderen Hausseite, könnte größer nicht sein. Beide Gartenstile zeigen mit ihrer exquisiten Qualität, dass bei allen Unterschieden beides mit ihrem hohen Spannungsbogen dennoch zusammenfindet. Der grüne Faden, der sich durch Abbey House Gardens zieht, ist die überbordende Vielfalt der Pflanzen, die von den Pollards gesammelt wurden und in jedem Gartenbereich für neue Überraschungen sorgen.
Tatsächlich ist Ian Pollard mit der Gestaltung dieses Gartens etwas ganz besonderes gelungen, jeder einzelne Gartenraum erzählt eine Geschichte. Der rote Faden plaudert sich durch die Vergangenheit, die Gegenwart und sieht auch in die Zukunft dieses geschichtsträchtigen Areals.
Als ich Abbey House Gardens besuchte und Barbara Pollard um die Erlaubnis bat, den Garten hier zeigen zu dürfen, da ahnte ich noch nicht, dass es 2021 einen Besitzerwechsel geben würde. Ian Pollard starb 2019 und seine Frau verkaufte Abbey House an die Amerikaner Whit und Kim Hanks. Ich zeige den außergewöhnlichen Garten trotzdem aus zwei Gründen. Es ist ein wirklich besonderer Garten und auch die jetzigen Eigentümer öffnen ihn, allerdings nicht mehr so häufig. Wer Interesse hat, sollte darum auf die aktuelle Website des Gartens schauen.
Abbey House Gardens
Market Cross, Malmesbury, Wiltshire SN 16 9AS
weitere Infos: https://www.abbeyhousemanor.com/
7 Kommentare
Liebe Renate, was für ein Zufall! Gerade gestern las ich in “Gartenglück” von Elsemarie Maletzke das Kapitel “Die nackten Gärtner von Abbey House”. Dabei hatte ich das Foto aus der Gartenpraxis” vor Augen, auf dem Ian und Barbara Pollard ganzseitig sehr leicht bekleidet posieren. Warum die “Gartenpraxis, die ich sehr schätze, uns Leser mit einem solchen Bild beglückte, ist mir ein Rätsel. Bilder von der Gartenanlage fehlten mir bisher. Maletzkes Beschreibung des Gartens ist von ihren Beobachtungen der beiden ungewöhnlichen Gartenmenschen durchsetzt. Dank Deiner genauen Beschreibung und natürlich vor allem auch durch die tollen, informativen Fotos habe ich jetzt endlich auch eine Vorstellung von der außergewöhnlichen und beeindruckenden Gartenanlage. Ganz herzlichen Dank dafür!
Sehr gerne liebe Marie Christine, dieses Thema hat sich schon vor längerem von alleine erledigt. LG Wurzerl
Dieser Bericht ist mehr als beeindruckend – er fasziniert durch die Beleuchtung des Gegensatzes zwischen formalem Garten und Landschaftsgarten. Gratulation dazu.
Vielen Dank, ja ich finde das Areal auch total spannend. LG Wurzerl
Ein toller Garten voller Gegensätze! Der Knotengarten gefällt mir gut, aber auch die Dinosauriergrube – Farne sind faszinierende Pflanzen. Und die Skulpturen sind einfach klasse!
Liebe Grüße
Susanna
Ja, es sind genau die Gegensätze, die einen Garten aus anderen herausheben und ihn spannend machen. LG Wurzerl
Hallo Renate,
was für elegante Formschnittgehölze, da macht sich jemand sehr viel Mühe.
Danke fürs Zeigen.
Viele Grüße
Elke